Einführung zu den Konzerten des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 14. und 15. Oktober 2021


Samuel Barber: Sinfonie Nr. 1, op. 9

Samuel Barber
Samuel Barber (* 1910 in West Chester, Pennsylvania; † 1981 in New York)

Samuel Barber war der Neffe der Opernaltistin Lousie Homer und des Komponisten Sidney Homer, der ihn als Mentor über mehr als 25 Jahre unterstützte. Er erhielt mit sechs Jahren seinen ersten Klavierunterricht und begann ein Jahr später zu komponieren. Seine erste kurze Oper The Rose Tree führte er als 10jähriger zusammen mit seiner Schwester auf. 1924-32 studierte Barber am Curtis Institute in Philadelphia Klavier, Komposition, Dirigieren und Gesang und trat anschließend zunächst als Sänger in Erscheinung. Der Bearns-Preis der Columbia University für seine Violinsonate (1928) ermöglichte ihm seine erste Italienreise. 1935 und 1936 erhielt er als erster Komponist zweimal den Pulitzer-Preis, zusätzlich 1935 den amerikanischen Rom-Preis. Während seines Aufenthalts an der American Academy in Rom machte er die Bekanntschaft Arturo Toscaninis, durch dessen Uraufführung des Adagio für Streicher op. 11 (1936) und des First Essay für Orchester op. 12 (1937) Barber schlagartig berühmt und innerhalb weniger Jahre zu dem in den USA meistgespielten US-amerikanischen Komponisten ernster Musik wurde. Nachdem im Juli 1937 seine 1. Symphonie op. 9 unter Witold Rodziñski bei den Salzburger Festspielen als erstes US-amerikanisches Werk überhaupt aufgeführt wurde, erfreute sich Barbers Werk auch in Europa stets einer gewissen Beliebtheit.
 Barber, der sich im Alter bisweilen als eine „schattenhafte Figur aus einem anderen Zeitalter“ fühlte, blieb sein Leben lang Vorbildern wie Johann Sebastian Bach, Frederic Chopin und Gabriel Fauré verbunden. In seiner neoromantischen Musiksprache hat Barber trotz mancher dissonanzbetonter Schärfen die tonale Harmonik des späten 19. Jahrhunderts und die traditionellen Werkstrukturen kaum verlassen – eine reliktartige Sondererscheinung zwischen den Strömungen des US-amerikanischen Musiklebens. In seinen Konzerten, den beiden Symphonien und anderen Instrumentalwerken greift Barber bevorzugt auf traditionelle Formmodelle zurück. Seine Position wurde daher mit der von Johannes Brahms verglichen: starke persönliche Ausdruckskraft und stilistische Reife, verbunden mit dem Ruf, nicht eben fortschrittlich zu komponieren. Während die einen ihn bereits 1938 als „zutiefst anachronistisch“ empfanden, hoben andere an seinem Komponieren die „persönliche Handschrift als Markenzeichen eines wichtigen Komponisten“ hervor.



Sinfonie Nr. 1, op. 9 (1936, rev. 1942)

Orchesterbesetzung: 3 Flöten (1 auch Piccolo), 3 Oboen (1 auch Englischhorn), 3 Klarinetten (1 auch Bassklarinette), 3 Fagotte (1 auch Kontrafagott) – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Poasunen, Tuba – Pauken, Schlagzeug, Harfe – Streicher
Spieldauer: ca. 21 Min.
Uraufführung: 13. Dezember 1936 in Rom Philharmonic Augusteo Orchestra in der Leitung von Bernardino Molinari.

Die Sinfonie Nr. 1 op. 9 ist ein einsätziges Werk, das von Samuel Barber im Februar 1936 in Rom vollendet wurde. Barber begann seine Arbeit an der Sinfonie im August 1935 und vollendete das Werk an der Anabel Taylor Foundation in Roquebrune in den französischen Alpen. Es war seinem langjährigen Weggefährten Gian Carlo Menotti gewidmet.
 Die Sinfonie komprimiert die klassische viersätzige Sinfonie in einem Satz, sie ist Jean Sibelius' Symphonie Nr. 7 nachempfunden. Die Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte: Kopfsatz – Allegro ma non troppo, Scherzo – Allegro molto, Langsamer Satz – Andante, Passacaglia – Con moto.
 Der Kopfsatz weist drei Themen auf, die in verschiedenen Variationen die ganze Sinfonie bestimmen: Das Hauptthema, das am Anfang von Streichern und Holzbläsern unisono exponiert wird; ein zweites, lyrisches Thema der Bratsche und des Englischhorn über einer flächigen Begleitung der Celli, Harfe und tiefen Holzbläsern sowie ein Schlussthema, das nach einer großen Steigerung von den hohen Streichern und Holzbläsern präsentiert wird. Nach einer relativ kurzen Durchführung aller drei Themen, verwendet er statt einer Reprise die verkleinerte Variation des ersten Themas als Basis für den Scherzo-Abschnitt im Vivace-Tempo, das als Fugato mit den Violinen beginnt. In einem ausgedehnten ruhigen Andante bringt die Oboe, begleitet von den gedämpften Streichern das zweite augmentierte Thema. Mit einem intensiven Crescendo wird schließlich das Finale eingeleitet, eine kurze Passacaglia, die auf dem ersten, von den Violoncelli und Kontrabässen präsentierten Thema basiert. Das Schlussthema dominiert diesen Teil zusammen mit Figuren aus den anderen Themen. Diese Passacaglia bildet somit quasi eine Reprise für die globale Sinfonie.
 Barber nahm 1942-43 einige Überarbeitungen an der Arbeit vor. Die überarbeitete Fassung wurde am 18. Februar 1944 vom Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Bruno Walter uraufgeführt.


Marin Alsop

Leitung: Marin Alsop

wurde 1956 in New York geboren. Sie lernte als Kind Violine und Klavier und entschloss sich früh, Dirigentin zu werden. Sie studierte an der Yale University und an der Juilliard School. Sie studierte bei ihrem Mentor Leonard Bernstein sowie bei Seiji Ozawa und Gustav Meier. 1989 gewann sie sowohl den New Yorker Leopold-Stokowski-Wettbewerb als auch den Koussevitzky-Dirigentenpreis in Tanglewood. Von 2002 bis 2008 war sie Chefdirigentin des Bournemouth Symphony Orchestra, von 2012 bis 2019 Chefdirigentin des São Paulo State Symphony Orchestra. Sie steht seit der Saison 2007/08 dem Baltimore Symphony Orchestra vor und leitet damit als erste Frau ein großes US-amerikanisches Orchester. Ihre Position wurde bis 2021 bestätigt. Seit September 2019 ist sie Chefdirigentin des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien (RSO) und hat damit die Nachfolge von Cornelius Meister angetreten. Seit 2020 ist sie Artist in Residence an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.