Einführung zu den Konzerten des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 31. März und 1. April 2022


Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester, c-Moll, op. 37

Ludwig van Beethoven
Ludwig van Beethoven (* 1770 in Bonn; † 1827 in Wien)

Beethoven hatte bereits als Kind Klavier- und Geigenunterricht. Unterricht erhielt er ab 1781 bei Christian Gottlob Neefe, dem Bonner Hoforganisten. Eine Begegnung mit Joseph Haydn in Bonn 1792 führte zu einem Wienaufenthalt, dann zum Studium bei Haydn, später auch Johann Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri. Bekanntschaften mit verschiedenen Adelshäusern eröffneten Beethoven Kompositions- und Konzertaufträge. Sein Ruf war rasch verbreitet, die Wiener Gesellschaft schätzte ihn. Sein Klavierspiel riss alle hin besonders seine abrupten Kontraste, die er dem Mannheimer Orchester abgelauscht hatte. 1795 spielte er in einem Benefiz-Konzert zugunsten Mozarts Witwe dessen c-Moll-Klavierkonzert KV 491. In der Folge befasste er sich selbst mit seinen ersten drei Klavierkonzerten, die später nicht nach ihrer Entstehung, sondern nach ihren Uraufführungen nummeriert wurden.
 Schon ab 1796 stellten sich allerdings erste Zeichen der Schwerhörigkeit ein, ein Leiden, das ihm ab 1808 das Konzertieren ganz unmöglich machte. Bis dahin stand allerdings sein Erfolg als Pianist in der Gesellschaft höher im Ansehen, als seine Arbeit als Komponist.



Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll, Op. 37 (1799/1800)

Orchesterbesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 2 Hörner, 2 Trompeten – Pauken – Streicher
Sätze: 1. Allegro con brio
2. Largo
3. Rondo. Allegro
Spieldauer: ca. 38 Min.
Widmung: Prinz Louis Ferdinand von Preußen
Uraufführung: 5. April 1803, Theater an der Wien, Ludwig van Beethoven - Klavier.

Beethoven komponierte dieses Werk in den Jahren 1799-1800 und stellte es am 5. April 1803 in Wien vor. Die ersten Skizzen gehen auf das Jahr 1797 zurück – also nach dem B-Dur-Klavierkonzert Nr. 2, aber vor dem C-Dur-Konzert Nr. 1. Obwohl Beethoven die Uraufführung von Nr. 3 im Jahr 1803 aus einer kurzen Partitur spielte – niemand sollte sie ihm stehlen! – hatte er die Musik, abgesehen von ein paar Änderungen in letzter Minute, bereits vor April 1800 fertiggestellt.
 Das Vorbild für dieses verblüffend dramatische Konzert war Mozarts Klavierkonzert in c-Moll KV 491, das Beethoven mehrfach in öffentlichen Konzerten gespielt hatte.
 Der Kopfsatz ist kraftvoll, in gewisser Weise nehmen die c-Moll-Ausbrüche die donnernden Emotionen der Fünften Sinfonie vorweg. Das Hauptthema ist knapp, unverblümt und auf den Punkt gebracht. Was die Streicher spielen, wird von einer gespiegelten Holzbläserphrase beantwortet, die in eine leidenschaftliche Fortsetzung für das gesamte Orchester mündet. Nach einiger Zeit erscheint ein zweites Hauptthema, eine anmutige Melodie in der kontrastierenden Dur-Tonart, die von den Violinen mit der zusätzlichen Intensität der sanften Klarinetten eingeführt wird. Die Exposition des Orchesters setzt sich mit beträchtlicher Länge und Kraft fort – wäre das Klavier nicht in Sichtweite, könnte man meinen, es handele sich um eine Sinfonie. Das Klavier setzt mit einem ornamentalen, dreitaktigen Skalenvorlauf ein, bevor es das strenge Hauptthema selbständig artikuliert. Beethoven entwickelt diesen Eröffnungssatz in Anlehnung an die klassischen Konzerte, verneigt sich aber gegen Ende ausdrücklich vor Mozarts c-Moll-Konzert. Während die ersten Sätze der meisten klassischen Konzerte mit einer Zusammenfassung durch das Orchester allein enden, bietet Mozart ein komplizierteres Zusammenspiel zwischen Solist und Orchester bis zum Ende. So auch hier bei Beethoven. Nach der Kadenz setzt er zu einer Coda an, in der das Klavier weiterhin mit Arpeggien und anderen virtuosen Motiven glänzt – und in der das Orchester eine untergeordnete, lediglich begleitende Rolle spielt. Am Ende kehrt das Klavier zu den Tonleitern in Oktaven zurück, mit denen es lange zuvor seinen Auftritt hatte – ein inspirierter Schlusspunkt.
 Der zweite Satz, ein Largo in E-Dur, beginnt mit dem Klavier allein, das mit ruhiger Noblesse singt. Beethoven unterstützt die gedämpfte Stimmung dieses Satzes mit phantasievollen orchestralen Einfällen, darunter ein zauberhafter Dialog zwischen Klavier, das schwungvolle, rauschende Arpeggien spielt, Flöte und Fagott, begleitet von zarten Streicherzupfern. Nach einer kleinen Kadenz verklingt der Satz in einem pianissimo, das an frühere Musik erinnert. Aber Beethoven überrascht seine Zuhörer mit einem letzten Akkord, einem Ausrufezeichen im fortissimo.
 Das Finale beginnt mit einem Klaviersolo. Die ersten beiden Töne g – as täuschen dem Ohr nach dem E-Dur des langsamen Satzes ein scheinbares Dur-Moll-Spiel vor, doch die Erwartung wird schnell durchkreuzt. Wir befinden uns in c-Moll und das Klavier exponiert ein flottes Thema, das vom Orchester übernommen, durch kleine Kadenz-Momente unterbrochen und nach Dur und wieder nach Moll geführt wird. Zwei verschiedene Zwischenspiele fügen sich ein, der dritte Themenauftritt beginnt mit einem Fugato in den Streichern, des erste Zwischenspiel erscheint erneut, mündet in eine Kadenz, die wiederum im jetzt rhythmisch verwandelten Hauptthema im Presto-Tempo und im 6/8-Takt auf ein überaus schwungvolles Ende hinsteuert.


Karina Canellakis

Leitung: Karina Canellakis

Die US-amerikanische Dirigentin wurde 1981 in New York geboren und wuchs dort in einer musikalischen Familie mit griechisch-russischen Wurzeln auf. Bis 2004 studierte sie Violine am Curtis Institute of Music. 2005 bis 2007 spielte sie in der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker. 2011 bis 2013 studierte sie Dirigieren an der Juilliard School. 2014 bis 2016 arbeitete sie als Assistentin beim Dallas Symphony Orchestra, mit dem sie im Oktober 2014 auch ihr erstes Konzert dirigierte. Sie dirigierte das Chamber Orchestra of Europe, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin. 2016 gewann sie den Sir Georg Solti Conducting Award. Im Herbst 2019 wurde sie Chefdirigentin des Radio Filharmonisch Orkest der Niederlande. Im April 2020 ernannte sie das London Philharmonic Orchestra zu seiner neuen Ersten Gastdirigentin. Ihr Vertrag als Chefdirigentin des Radio Filharmonisch Orkest wurde bis Juli 2027 verlängert.


Karina Canellakis

Solist: Lars Vogt

Der Pianist und Dirigent wurden 1970 in Düren geboren. Er studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hannover bei Karl-Heinz Kämmerling. Im Alter von 20 Jahren gewann Lars Vogt 1990 den zweiten Platz beim internationalen Klavierwettbewerb in Leeds. In der Saison 2003/04 debütierte er bei den New Yorker Philharmonikern und eröffnete den neuen Saal der Carnegie Hall mit einem Soloabend. Zur selben Zeit war er „Pianist in Residence“ bei den Berliner Philharmonikern. 2012 erhielt er eine Professur für Klavier an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Seit Sommer 2020 ist er Chefdirigent des Orchestre de Chambre de Paris. Besonderes Engagement zeigt Lars Vogt für die Kammermusik. 1998 gründete er das Kammermusikfestival „Spannungen“, das jährlich im Kraftwerk Heimbach in Heimbach (Eifel) stattfindet. Lars Vogt gründete mit einem Netzwerk von Musikern das Projekt „Rhapsody in School“. Es soll Kindern über emotionalen, aber auch rationalen Kontakt klassische Musik vermitteln.