Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 4. Februar 2021


Max Bruch: Violinkonzert Nr.1, g-Moll, op. 26

Max Bruch
Max Bruch (* 1838 in Köln; † 1920 in Berlin)

Bruch entstammte einer geistig und künstlerisch hochgebildeten Familie, in der er frühe musikalische Förderung und für erste Kompositionen bereits Auszeichnungen erhielt. Komposition studierte er in Köln bei Ferdinand Hiller. Nach einigen Reisen und weiteren Studien übernahm er von 1865 bis 1867 eine erste feste Stellung als Musikdirektor in Koblenz. Hier entstand sein berühmtestes Werk, das 1. Violinkonzert in g-Moll. Die Übersiedlung nach Sonderhausen, der freundschaftliche Kontakt mit Philipp Spitta und die Annäherung an Brahms erzeugten bei Bruch eine verstärkte „kulturprotestantische“, konservative Haltung, die sich von den „Neudeutschen“ (v.a. Liszt und Wagner) abwandte und zu einer künstlerischen Neuorientierung führte. Dadurch rückten für ihn die vokalen Gattungen, Oratorium und Lied, in den Mittelpunkt seines Interesses. In der Schottische Phantasie (1879/80) und im Kol nidrei ist das Volkslied ein fester Bezugspunkt.
 Durch seine Berufung an die Berliner Akademie der Künste fand Bruch seinen Platz in der „Garde der älteren Ideale“ – wie Heinrich Riemann schrieb –, die sich um die deutschen Konservatorien und Musikakademien scharte. In dieser Haltung erstarrte Bruch zunehmend, verständnislos und ausfallend gegenüber jüngeren Zeitgenossen, enttäuscht über das nachlassende Interesse an seiner Musik und die zeitgeschichtlichen Ereignisse seiner letzten Lebensjahre – Weltkrieg und Untergang des Kaiserreiches – und verbittert über die Ignoranz der Musikwelt.
 Bezüglich seiner Komposition Kol nidrei bleiben zwei fast skurril zu nennende Nachwirkungen zu berichten: 1933 geriet Bruch aufgrund dieser Komposition bei den Nationalsozialisten in Verdacht. Es wurde gemutmaßt, er sei jüdischer Abstammung und habe ursprünglich „Baruch“ geheißen.
 Und 2014 betitelte der amerikanische Dirigent Leon Botstein eine Einführung in das Werk mit „How an Anti-Semitic Composer Created ‚Kol Nidre‘ and ‚Moses‘“.
 So wird aus einem Komponisten, der sich mit zwei jüdischen Melodien befasste, zunächst ein Jude, weil er kein Antisemit war, und später ein Antisemit, weil er kein Jude war.



Violinkonzert Nr. 1, g-Moll, op. 26 (1866-68)

Orchesterbesetzung: Solo-Violine – 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 4 Hörner, 2 Trompeten – Pauken –Streicher (8-8-6-4-3)
Sätze: 1. Introduktion – Allegro moderato
2. Adagio
3. Finale – Allegro energico
Spieldauer: ca. 26 Min.
Uraufführung: Erste Fassung: 24. April 1866, Koblenz, Vl: Otto von Königslöw, Ltg.: Max Bruch
 Revidierte Fassung: 5. Januar 1868, Bremen, Vl: Joseph Joachim, Ltg.: Carl Martin Reinthaler

Die erste Fassung des Violinkonzertes, das 1866 uraufgeführt wurde, ist nicht erhalten. Die zweite Fassung kam auf Intiative und nach Beratung des Geigers Joseph Joachim zustande, der Widmungsträger und 1868 Musiker der Uraufführung war. Das Konzert war so erfolgreich, dass Bruch seine anderen Werke vernachlässigt sah. Er schrieb an seinen Verleger: „Alle vierzehn Tage kommt einer und will mir das erste Concert vorspielen: ich bin schon grob geworden und habe zu ihnen gesagt: ‚Ich kann dieses Concert nicht mehr hören – habe ich vielleicht nur dieses eine Concert geschrieben? Gehen Sie hin und spielen Sie endlich einmal die anderen Concerte, die ebenso, wenn nicht besser sind!‘“
 Den ersten Satz bezeichnet Bruch als Vorspiel. Er eröffnet es mit einem leisen Paukenwirbel. Das lyrische Anfangsmotiv wird von den Holzbläsern gespielt. Zu einem markanten, punktierten Bass-Rhythmus setzt die Solo-Violine ein. Nach einem kurzen Orchestertremolo folgt der erste eigentliche Solopart der Geige. Mit einer Modulation nach B-Dur erscheint das Seitenthema. Ein durchführungsähnlicher Teil leitet den Höhepunkt des Satzes, ein drängendes Orchestertutti, ein. Aus dem Wechselspiel zwischen Orchester und Solovioline besteht die Reprise, die in eine zum zweiten Satz überleitende Coda mündet.
 Das Adagio ist eine innige Romanze in Es-Dur. Es beginnt mit einem elegischen Thema. Die Solovioline entwickelt mit leiser Orchesterbegleitung ein lyrisches Kantilenenspiel. Der Satz steigert sich langsam über einen elegischen Seitengedanken. In der Mitte des Satzes folgt ein Wechsel nach Ges-Dur. Diese leichte musikalische Verschiebung bewirkt eine Veränderung des Klangbildes. Mit weiteren dynamischen Steigerungen kehrt der Satz schließlich zu einem hellen Es-Dur zurück. Ein letztes Mal erklingt das Thema, bevor der ergreifende Satz langsam verklingt.
 Das Finale ist ein energischer, tänzerischer Satz in G-Dur. Die Orchestereinleitung stellt das leidenschaftliche Hauptthema vor. Der rhythmische Kerngedanke des Satzes wird allmählich entwickelt und erstrahlt schließlich im fortissimo. Der Solist hat dieses Thema mit oft anspruchsvollem Doppelgriffspiel zu bewältigen. Im weiteren Verlauf des Satzes umspielt und variiert die Solovioline das Hauptthema. Sie führt ein festliches und kompaktes Seitenthema ein. Den Abschluss des majestätisch wirkenden Satzes bildet eine virtuose Presto-Stretta.


Christoph Eschenbach

Leitung: Christoph Eschenbach

wurde 1940 in Breslau geboren, verlor seine Familie im Krieg und wurde ab 1946 von der Cousine seiner Mutter, der Pianistin Wallydore Eschenbach, aufgenommen und unterrichtet. Er studierte in Köln und Hamburg Klavier und Dirigieren. 1965 begann er eine internationale Karriere als Pianist, ab 1972 als Dirigent. Ab 1979 war er nacheinander Chefdirigent in Ludwigshafen, Zürich, Houston, Chicago, Hamburg, Philadelphia, Paris und Washington. Seit 2003 ist er musikalischer Leiter der Orchesterakademie des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Seit 2016 dirigiert er an der Mailänder Scala. Ab der Saison 2019/20 soll er das Konzerthausorchester in Berlin übernehmen.

Mairéad Hickey

Violine: Mairéad Hickey

Sie wurde 1996 in Irland geboren und begann mit drei Jahren, Geige zu spielen. Von 2003 bis 2014 studierte sie bei Adrian Petcu in Cork in Irland. Mit 15 Jahren zog sie für ein Jahr nach Frankreich, um in Nantes bei Constantin Serban zu studieren. Zusätzlich besuchte sie mehrere Meisterkurse.