Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 12. Juni 2019


Claude Debussy: Suite aus „Trois Nocturnes“ und „Images“

Claude Debussy
Achille-Claude Debussy (* 1862 in Saint-Germain-en-Laye; † 1918 in Paris)

Mit 10 oder 11 Jahren begann Debussy sein Musikstudium am Pariser Konservatorium, zuerst als Pianist, ab 1880 als Kompositionsstudent. 1884 gewann er den Prix de Rome, mit dem ein Stipendium für einen vierjährigen Aufenthalt in der Villa Medici in Rom verbunden war. Er brach 1887 seinen Aufenthalt vorzeitig ab und kam zurück nach Paris.
 Debussy suchte nach Alternativen zur klassisch-romantischen Tradition in harmonischer wie formaler Hinsicht. Dabei beschäftigte er sich ähnlich wie etwas später Béla Bartók intensiv mit traditioneller Musik aus außereuropäischen Kulturkreisen. Großen Einfluss übten die russische, die javanische und die arabische Musik auf ihn aus, die 1889 mit der Weltausstellung nach Paris kam. Die Begegnung mit der im javanischen Gamelan-Orchester verwendeten pentatonischen Stimmung beeinflusste seine weitere kompositorische Entwicklung entscheidend. Er adaptierte diese „fremdartige“ Musik und ihr schwebendes Klangideal in seinem Kompositionsstil, ohne ihn direkt zu kopieren. Die offenkundigste Bemühung Debussys um die Adaption südostasiatischer Musik auf ein abendländisches Instrument mit temperierter Stimmung zeigt das Klavierstück Pagodes, der erste Satz seines Klavierzyklus Estampes. Er begann, auf eine zielgerichtete Auflösung harmonischer Spannungen zu verzichten, indem er im Laufe der Zeit eine eigenständige Harmonik entwickelte, die europäische Einflüsse mit Debussys Entdeckung traditioneller slawischer und asiatischer Musik verband, etwa durch die Verwendung von Pentatonik und der Ganztonleiter. Weil seine daraus resultierenden Klangbilder als fremdartig, schwebend und sphärisch empfunden und damit mit den ähnlich wahrgenommenen Bildern etwa von Claude Monet und Paul Gauguin in Verbindung gebracht wurden, gilt Debussy musikhistorisch als Hauptvertreter des Impressionismus.
 In einem Brief an Schriftsteller und Lyriker Pierre Louÿs schrieb er: „Mein guter alter Freund! Erinnere Dich an die javanische Musik, die alle Nuancen enthielt, selbst solche, die man nicht benennen kann, bei der die Tonika und die Dominante nichts weiter sind als nutzlose Hirngespinste zum Gebrauch für Heulsusen, die nichts verstehen.“



Suite aus „Trois Nocturnes“ (1897-99) und „Images“ (1905-12)

Orchesterbesetzung: Piccoloflöte, 3 Flöten (1 auch Picc.), 2 Oboen, Oboe d’amore, Englischhorn, 3 Fagotte, Kontrafagott – 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, 3 Schlagzeuge, 2 Harfen, Celesta – Streicher (16/14/12/10/8)
Sätze: (aus Trois Nocturnes:) Nuages (Modéré) – Fêtes (Animé et tres rythmé)
(aus Images:) Gigues (Modéré) – Rondes de Printemps (Modérément animé)
Spieldauer: ca. 30 Min.
Uraufführung: Trois Nocturnes: 9. Dezember 1900, Paris, Camille Chevillard, Ltg.
Images: 26. Januar 1913, Paris, Claude Debussy, Ltg.

Die Trois Nocturnes wurden durch eine Serie von ebenfalls mit „Nocturnes“ betitelten Gemälden von James Abbott McNeill Whistler inspiriert. Debussy hatte die Idee zu diesen Nocturnes bereits 1892, komponierte sie aber erst zwischen 1897 und 1899. Debussy schrieb in einem Vorwort: „Der Titel Nocturnes ist hier allgemein und insbesondere dekorativ auszulegen. Es ist daher nicht beabsichtigt, die übliche Form der Nocturnes zu bezeichnen, sondern vielmehr all die verschiedenen Eindrücke und die besonderen Wirkungen des Lichts, die das Wort suggeriert.“
Nuages (= Wolken) ist ein ruhiges, atmosphärisches Vorspiel mit einer undurchsichtigen, diffusen Stimmung. Das Stück endet mit einem düsteren Kontrabass-Tremolo. Debussy schrieb darüber: „Mit ‚Nuages’ wird (…) die langsame, feierliche Bewegung der Wolken wiedergegeben, die in Grautönen verblassen, die leicht mit Weiß getönt sind.“
Fêtes (= Feste) ist ein schnelles, sinfonisches Stück, welches von einer charakteristischen Trompetenmelodie durchzogen wird. Debussy: „Fêtes geben uns den vibrierenden, tanzenden Rhythmus der Atmosphäre mit plötzlichen Lichtblitzen. Es gibt auch die Episode der Prozession (eine schillernde, fantastische Vision), die durch die festliche Szene geht und sich darin verschmilzt.“
 Von Images sind hier der erste und letzte Satz zu hören. Ursprünglich hatte Debussy geplant zu seiner Serie von Klavierstücken Images eine weitere Serie für Klavier zu vier Händen zu komponieren, entschloss sich dann aber doch zu Orchesterstücken.
Gigues, ursprünglich und treffend als Gigues tristes bekannt, beziehen sich auf Eindrücke aus dem nördlichen Großbritannien. Die Oboe d’amore führt ein Jig-Thema mit den Echos des Northumbrian The Keel Row ein. Außerdem verwendet Debussy das Lied Dansons la gigue von Charles Bordes.
Rondes de printemps (= Frühlingstänze) ist eines der modernsten Werke Debussys. Er verwendet zwei französische Volkslieder: Nous n'irons plus au bois und Do, do l'enfant do. Es lebt von seiner rhythmischen Raffinesse und seiner harmonischen Kühnheit. Der Satz ist Debussys Frau, Emma Bardac, gewidmet.


Pablo Heras-Casado

Leitung: Pablo Heras-Casado

Er ist ein spanischer Dirigent. Er studierte an der Universität Granada Kunstgeschichte und Schauspiel und anschließend an der Universidad de Alcalá Dirigieren. Meisterkurse führten ihn unter anderem zu Christopher Hogwood. Während seines Studiums gründete er das Ensemble Capella Exaudi und die experimentelle Gruppe Sonóora. Er dirigierte namhafte Orchester in aller Welt. Regelmäßig ist er auch für das Ensemble Intercontemporain (Paris) und das Klangforum Wien tätig. Seit 2011 ist er Erster Dirigent des Orchestra of St. Luke's in New York City.