Einführung zu dem Konzert des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 19.November 2021


Edward Elgar: Konzert für Violoncello und Orchester

Edward Elgar
Edward Elgar (* 1857 in Broadheath bei Worcester; † 1934 in Worcester)

Elgar begann früh, verschiedene Instrumente zu spielen, betätigte sich als Organist, Klavierbegleiter und Leiter privater Orchester, ohne eine geregelte Ausbildung genossen zu haben. Erst 1879 nahm er in London Violinunterricht bei Adolph Pollitzer. Im Jahr 1882 wurde er Konzertmeister in Worcester und wirkte von 1885 bis 1889 als Organist an der römisch-katholischen Kirche St. George. In der Folge lebte er als freier Komponist auf seinem Landsitz Malvern, Worcestershire. 1904 zum Knight Bachelor geschlagen, wurde Elgar kurz darauf Professor an der Universität Birmingham. In den Jahren vor und während des Ersten Weltkriegs schuf Elgar neben patriotischen Stücken drei Kammermusikwerke und das 1910 fertiggestellte Konzert für Violine und Orchester, das er auf Wunsch von Fritz Kreisler komponierte und in die Tradition groß angelegter romantischer Konzerte wie die von Beethoven und Brahms stellte. Es wurde ein großer Publikumserfolg und wird bis heute von führenden Violinisten eingespielt. Mit einer Länge von rund 50 Minuten gehört es zu den längsten Instrumentalkonzerten der Musikgeschichte. Besonders erfolgreich war die 1. Sinfonie, während die 2. Sinfonie weniger beifällig aufgenommen wurde, was möglicherweise an dem introspektiven Finale liegt. Seine Erfolge beschränkten sich allerdings auf England, außerhalb fand sein Werk wenig Beachtung. Als sein weithin bekanntestes Werk gilt Land of Hope and Glory auf Basis des Pomp and Circumstance March No. 1. Unter anderem wird es alljährlich bei der Last Night of the Proms sowie als englische Nationalhymne bei den Commonwealth Games gespielt.
 Die Rezeption von Elgars Musik beschäftigte sich mit der Ambivalenz zwischen der Konzentration auf Repräsentationsmusiken einerseits und einigen Besonderheiten seines seriösen Werkes, mit dem er an Brahms und Beethoven anknüpfen wollte, durch seine exzentrische Gestik, seinen eigentümlichen Umgang mit großformalen harmonischen Beziehungen und seiner häufig desorientierenden Akkordik diesen Bezug aber nahezu durchgehend verfehlte.
 Der Tod seiner Frau Caroline Alice im Jahr 1920 ließ Elgars Schaffenskraft versiegen. Hinzu kam, dass sein Kompositionsstil in den zwanziger Jahren als altmodisch angesehen wurde. Er zog sich nach Worcestershire zurück, um mit seinen Hunden das Leben eines Landedelmanns zu führen. Edward Elgar starb im Alter von 76 Jahren an Darmkrebs. In England wurde er gefeiert wie kein zweiter Komponist seit Henry Purcell, im Ausland fand er nie viel Beachtung.



Konzert für Violoncello und Orchester, e-Moll, Op. 85 (1918/19)

Orchesterbesetzung: Violoncello solo – 2 Flöten (zwei ad lib. auch Piccolo), 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba ad lib. – Pauken – Streicher
Sätze: 1. Adagio – Moderato
2. Lento – Allegro molto
3. Adagio
4. Allegro – Moderato – Allegro, ma non troppo – Poco più lento
Spieldauer: ca. 30 Min.
Widmung: dem Literatur- und Kunstkritiker Sidney Colvin und dessen Frau Frances
Uraufführung: 27. Oktober 1919 in London, Queen’s Hall, Felix Salmond – Violoncello, London Symphony Orchestra, Edward Elgar – Ltg.

Im Frühjahr 1918 musste Elgar sich einer Mandeloperation unterziehen und schrieb unmittelbar nach Rückkehr in sein Heim das Hauptthema seines späteren Cellokonzertes nieder. Zunächst entstanden jedoch drei kammermusikalische Werke: die Violinsonate e-Moll op. 82, das Streichquartett e-Moll op. 83 sowie das Klavierquintett a-Moll op. 84. 1919 wandte er sich der Komposition des Cellokonzerts zu. Als Solist war Felix Salmond vorgesehen, der bei der Uraufführung des Streichquartetts mitgewirkt hatte und Elgar auch in technischen Fragen des Konzerts beriet.
 Die Uraufführung gelang offenbar nicht, sie litt unter der zu kurzen Probezeit. Der Kritiker des Observer schrieb: „... es bleibt die betrübliche Tatsache, dass wahrscheinlich noch nie ein so bedeutendes Orchester eine so jämmerliche Selbstdarstellung abgegeben hat. Das Werk selbst ist wunderbar, sehr einfach – von der bedeutungsschweren Einfachheit, die Elgars Musik der letzten Jahre kennzeichnet – jedoch von einer tiefen Weisheit und Schönheit, die seiner Einfachheit zugrunde liegt“.
 Das von überwiegend melancholischen Stimmungen geprägte Cellokonzert Edward Elgars versah der Komponist am Ende der Partitur mit den Worten „Finis. R.I.P.“ Sein Opus 85 sollte zugleich das letzte vollendete Werk Elgars werden, abgesehen von einigen Transkriptionen, Arrangements und Gelegenheitsstücken.
 Der erste Satz beginnt mit einer rezitativartigen Einleitung des Solocellos, bevor zuerst die Bratschen, dann das ganze Orchester das Hauptthema im 9/8-Takt intoniert, das auf einer einzigen rhythmischen Zelle basiert und vielfach wiederholt wird. Im mittleren Satzabschnitt werden die Tonarten e-Moll und E-Dur kontrastierend eingesetzt. Nach einer Rekapitulation des Hauptthemas verklingt der Satz leise in einer Folge von pizzicati.
 Der zweite Satz folgt dem ersten ohne Pause. Er vertritt die Rolle des Scherzos. Sein durch eine lebhafte Sechzehntelfolge geprägtes Hauptthema wird mehrfach von einem kantablen zweiten Thema in Es-Dur und durch kleine sentimentale Rücknahmen unterbrochen.
 Der dritte Satz, ein sehr langsames und zurückgenommenes Adagio, verzichtet auf die Blechbläser und umfasst lediglich 60 Takte, dessen durchgehende melodische Linie in B-Dur das Solocello nach Art eines „Lieds ohne Worte“ fast ununterbrochen fortspinnt.
 Das Finale ist der umfangreichste Satz des Werkes. Nach einer kurzen, raschen Orchestereinleitung intoniert das Cello das Hauptthema, es wird vom ganzen Orchester übernommen. Nach dem schwungvollen Anfang wird die Energie immer weiter zurückgenommen, bis gegen Ende zunächst die Melodie des Adagio und dann das Cello-Rezitativ vom Beginn des ersten Satzes erscheinen, bevor der Satz im vollen Orchesterklang zum fast abrupt wirkenden Ende getrieben wird.
 Das jahrzehntelang eher wenig gespielte Cellokonzert Elgars erlangte 1965 breitere Bekanntheit durch eine bis heute Maßstäbe setzende Einspielung der damals zwanzigjährigen Cellistin Jacqueline du Pré unter Leitung von John Barbirolli, der bereits bei der Uraufführung als Orchestercellist mitgewirkt hatte.


Krzysztof Urbański

Leitung: Krzysztof Urbański

wurde 1982 in Polen geboren. Er studierte bis 2007 an der Fryderyk-Chopin-Universität für Musik in Warschau. Im selben Jahr wurde er stellvertretender Dirigent bei den Warschauer Philharmonikern und gewann den ersten Preis beim Internationalen Dirigenten-Wettbewerb in Prag. Von 2010 bis 2017 war er Chefdirigent des Trondheim Symfoniorkester in Norwegen. Im Oktober 2010 dirigierte er erstmals das hr-Sinfonieorchester. Seit 2011 ist er Musikdirektor des Indianapolis Symphony Orchestra. Außerdem berief ihn die Jacobs School of Music der Indiana University im Wintersemester 2011/2012 zum außerordentlichen Professor im Fach Orchesterdirigieren. 2015 wurde er mit dem Leonard Bernstein Award ausgezeichnet. Von 2015 bis 2021 wirkte er zudem als Erster Gastdirigent am NDR Elbphilharmonie Orchester. 2019 wurde bekannt, dass Urbański seine Amtszeit als Chefdirigent in Indianapolis 2021 beenden wird.

Sol Gabetta

Violoncello: Sol Gabetta

Sie ist eine argentinische Cellistin. Als Zehnjährige gewann sie ihren ersten Wettbewerb in Argentinien. Sie studierte in Madrid, Basel und Berlin, zuletzt bei David Geringas. Seitdem konzertierte sie mit zahlreichen Orchestern und erhielt diverse Auszeichnungen, unter anderem einen 3. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD 1998 in München und mehrfach den ECHO Klassik. Seit Oktober 2005 unterrichtet sie als Assistentin von Ivan Monighetti an der Musik-Akademie in Basel. Sie ist außerdem Initiatorin des Kammermusikfestivals SOLsberg im schweizerischen Olsberg.
Sol Gabetta spielt auf einem Violoncello von Matteo Goffriller von 1730.