Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 26. Februar 2021


Ēriks Ešenvalds: Okeāna balss für Orgel und Orchester

Eriks Esenvalds
Ēriks Ešenvalds (* 1977 in Priekule, Lettland)

Ešenvalds studierte zunächst Theologie bevor er zur Komposition an die lettische Misukakademie wechselte, wo er bei Selga Mence studierte. Er belegte Meisterkurse bei Michael Finnissy, Klaus Huber, Philippe Manoury und Jonathan Harvey. Von 2002 bis 2011 war er Mitglied des Staatschors Latvija. 2011 wurde er für zwei Jahre zum Fellow Commoner in Creative Arts am Trinity College der University of Cambridge ernannt. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lehrt jetzt Komposition an der Lettischen Musikakademie.
 Er wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet, darunter dreimal mit dem Großen Lettischen Musikpreis. Das International Rostrum of Composers verlieh ihm 2006 den ersten Preis für sein Werk The Legend of the Walled-in Woman. 2010 war er die „New-Composer Discovery“ des „Philadelphia Inquirer“. 2018 wurde er für Verdienste im Bereich der Kultur mit dem Offizier im Orden der Drei Sterne, der höchsten staatlichen Auszeichnung seines Heimatlandes Lettland, ausgezeichnet.
 Ēriks Ešenvalds ist vor allem als Chorkomponist in Erscheinung getreten. Er sieht sich selbst als pragmatischen Komponisten, der stets jedes Werk den Erfordernissen der Gelegenheit, der zur Verfügung stehenden Besetzung und den Fähigkeiten und Prioritäten der Ausführenden anpasst. Er vertont überwiegend englische Texte, um sich an ein internationales Publikum zu richten. Auch das Verwenden bestimmter Techniken, eines bestimmten Maßes an Dissonanzen, beziehungsweise Konsonanzen, rhythmischer und struktureller Komplexität, das seinen jeweiligen expressiven Absichten gerade entspricht, sieht er als Pragmatismus an. Das Ergebnis mag eigenwillig und eklektisch wirken, doch ebenso wie es bei vielen anderen baltischen Komponisten der Fall ist, weist sein Werk keine Befangenheit auf, sondern zeichnet sich durch einen direkten – in gewisser Weise auch naiven - Ausdruck gewinnender Aufrichtigkeit aus. Im noch nicht so lange unabhängigen Lettland löst er sich bewusst von einengenden Beschränkungen des sozialistischen Realismus und von einer ihn einschränkenden Ideologie der westlichen Moderne der Nachkriegszeit.



Okeāna balss (Voice of the Ocean) für Orgel und Orchester (2014)

Orchesterbesetzung: Solo-Orgel, Solo-Violine – Pauken, 1 Schlagzeug – Streicher (8-6-5-4-3)
Spieldauer: ca. 21 Min.
Sätze: 1. Espressivo – Limpido – Maestoso
2. ohne Bezeichnung
3. Maestoso – Con amore
Uraufführung: 26. September 2014 in Riga, Iveta Apkalna (Orgel), Dita Krenberga (Flöte), Latvian National Symphony Orchestra, Andris Poga, Ltg.

Ešenvalds Orgel-Konzert ist eine naturalistische Tonmalerei. Er selbst schreibt über sein Stück: „Die Stimme des Ozeans donnert in den dunklen Tiefen, sie raunt zwischen den Klippen und schreit mit den Vögeln um die Wette, während sie sich in die silbrigen Vorhänge von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang hüllt; sie scheint eine neue Art von Imagination zu verkörpern und entpuppt sich doch als die selbe alte archaische Empfindung. Die Stimme des Ozeans spricht wie ein Buch ohne Einband, wie eine Aussicht ohne Horizont.“
 Die ursprünglich einer Solo-Flöte zugedachte Stimme im zweiten und dritten Satz wird in der Frankfurter Aufführung von einer Solo-Violine übernommen.
 Der erste Satz beginnt überraschend mit einem Zitat, dem Mordent am Anfang der berühmten Toccata d-Moll für Orgel, BWV 565 von Johann Sebastian Bach. Die Figur wird sogleich in eine Umkehrung verwandelt, aus der sich die absteigende Tonleiter der Toccata – hier im Cluster liegenbleibend – löst. Dies wird zum Leitmotiv des ganzen ersten Satzes gemacht, der immerzu Wechselnoten verwendet, die – mal im Vordergrund, mal im Hintergrund – den Satz durchlaufen.
 Der zweite ruhigere Satz beginnt mit Akkordflächen, die zunächst repetierend, dann mit Sekundvorschlägen an das Hauptmotiv des ersten Satzes erinnern und über der sich eine tonale Melodie der Solo-Flöte, bzw. -Violine entwickelt. Die flächige Begleitung soll wohl an die ununterbrochene Bewegung des Meeres erinnern.
 Der dritte Satz beginnt mit kräftigen Beckenschlägen und der mit massiven Bässen spielenden und das Geschehen dominierenden Orgel. Aus diesen zerrissenen Klängen erheben sich immer wieder Melodiefragmente der Violinen, der Glocken und der Bässe, bevor eine leise Passage hohe Liegeklänge, solistische Passagen der Orgel, der Violinen und der Solo-Flöte, bzw. -Violine vereinigt. Mit den Glocken kehren sich die Verhältnisse kurzzeitig um: tiefe, kräftige Liegeklänge begleiten eine Melodie der Glocken, die das Anfangsmotiv erneut aufgreifen. Abrupt endet diese Passage, das Stück verklingt ruhig mit sehr hohen und nur noch wenig bewegten Klängen.


Dima Slobodeniouk

Leitung: Dima Slobodeniouk

der 1975 in Moskau geborene Dirigent studierte zunächst Violine in Moskau und Helsinki, anschließend Dirigieren. Nach vielen Gastdirigaten wurde er 2013 Leiter des Orquesta Sinfónica de Galicia, ab 2016 Chefdirigent des Sinfonia Lahti, Helsinki.








Ivetka Apkalna

Orgel: Ivetka Apkalna

Sie wurde 1976 in Lettland geboren und studierte dort zunächst Klavier und Orgel bei Jāzeps Vītols, danach bis 2000 in London Klavier und bis 2003 in Stuttgart Orgel bei Ludger Lohmann. Ihr Repertoire umfasst Werke von Bach bis zur zeitgenössischen Musik. Sie ist die Titularorganistin der Hamburger Elbphilharmonie.






Alejandro Rutkauskas

Violine: Alejandro Rutkauskas

Er wurde in Buenos Aires als Sohn einer Musikerfamilie geboren und war Schüler von Szymsia Bajour und Ljerko Spiller. Seit Beginn seines Studiums bereits entwickelte er eine rege Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. 1987 kam Alejandro Rutkauskas nach Europa als Konzertmeister des Sinfonieorchesters Basel, wo er sich verstärkt auch der Kammermusik widmete. Seit 1993 ist er Konzertmeister des hr-Sinfonieorchesters.