Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 20. März 2018


James MacMillan: Britannia

James MacMillan
James MacMillan (* 1959, Kilwinning, Schottland)

MacMillan wurde in Kilwinning, North Ayrshire, Schottland, geboren, lebte bis 1977 in Cumnock, South Ayrshire. Er studierte bis 1987 Komposition an der Universität Edinburgh bei Rita McAlister und in der Durham University bei John Casken. Zwischen 1986 und 1988 lehrte er an der Universität Manchester. Danach kehrte er nach Schottland zurück, um eine Stelle als Associate Composer beim Scottish Chamber Orchestra anzunehmen.
 Erste Bekanntheit erlangte MacMillan mit dem Orchesterwerk The Confession of Isobel Gowdie, das im Jahr 1990 bei den „Proms“, einem mehrwöchigen britischen Festival klassischer Musik, vom BBC Scottish Symphony Orchestra uraufgeführt wurde. Dadurch bekam er mehrere Aufträge, etwa ein Konzert für Schlagzeug, Veni, veni, Emmanuel, für die schottische Musikerin Evelyn Glennie, das 1992 uraufgeführt wurde; es zählt inzwischen zu seinen meistaufgeführten Werken.
 James MacMillan's Kompositionen sind durchdrungen von spirituellen und politischen Elementen. Der Katholizismus ist ein zentrales Element seiner Musik, die sakrale Instrumental- und Chormusik ein wichtiger Bestandteil seines Werkes, wie z. B. das Magnificat (1999), und mehrere Messen. MacMillan und seine Frau sind Laien-Dominikaner. Ferner orientiert sich MacMillan an traditioneller schottischer Musik, welche in seinen Werken immer wieder deutlich herauszuhören ist. Als das schottische Parlament 1999 nach 292 Jahren zum ersten Mal wieder zusammenkam, begleitete eine von MacMillan komponierte Fanfare Königin Elizabeths Eintritt in den Plenarsaal. Einige Wochen nach der Eröffnungszeremonie hielt MacMillan eine öffentliche Rede mit dem Titel „Scotland's Shame“, in der er das Sektierertum in Schottland scharf attackierte.
 MacMillans Musik zeichnet sich durch die Mischung vieler verschiedener Stile aus. Aus kantigen, freitonalen Klängen entwickeln sich plötzlich tonale Melodien, die an Wagner erinnern, zerrissene Rhythmen gehen in improvisatorische Lyrizismen oder komplexe Polyphonie über, grelle, aggressive Klangfarben stehen neben feinen, brüchigenen Mustern oder samtiger Gefühligkeit, herkömmliche Instrumentation steht neben der Verwendung von Hupen, Trillerpfeifen, Rasseln usw. Bei alledem ist immer die Absicht zu erkennen, mit der Musik „Geschichten“ zu erzählen.
 2000 bis 2009 war er Komponist und Dirigent der BBC Philharmonic, bis 2013 Chefdirigent der Radio Kamer Filharmonie, einem 2013 aufgelösten Kammerorchester des Niederländischen Rundfunks. Im Januar 2004 wurde ihm der Verdienstorden CBE (= Commander of the British Empire) zuerkannt. 2015 wurde er in den Ritterstand erhoben. Seine Werke erscheinen exklusiv bei Boosey & Hawkes.



Britannia (1994)

Orchesterbesetzung: Piccolo, 2 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, 3 Schlagzeuger, Harfe – Streicher (16-14-12-10-08)
1 Satz
Spieldauer: ca. 14 Min.
Widmung: Libby MacNamara (Association of British Orchestras)
Uraufführung: 21. Sept. 1994, Barbican Hall, London, London Symphony Orchestra unter Leitung von Michael Tilson Thomas

Britannia wurde 1994 im Auftrag der British Telecommunications für die Association of British Orchestras komponiert und versteht sich als Lobes-Ouvertüre auf die Bedeutung der Orchester im britischen Konzertleben. Es basiert auf "patriotischen Themen", ohne eine zusammenhängende „Geschichte“ zu erzählen.
 Es ist eine Mixtur aus diversen populären Melodien und musikalischen Zusammenhängen, angefangen mit einer kurzen Skizze, die MacMillan Anfang 1994 geschrieben hatte – Mémoire Impériale – und die auf einer Marschmusik von General John Reid (1721-1807) basiert, einem britischen Armeeoffizier des 18. Jahrhunderts und dem Gründer der Musikabteilung der Universität von Edinburgh. Dieses Thema, sowie weitere „imperiale“ Themen – so Macmillan wörtlich – von Elgar und Arne werden immer wieder mit anderen Materialien überlagert – z.B. einem irischen Reel (ein traditioneller Rundtanz für zwei Paare, gespielt auf Dudelsack und Fidel), der sich zu einer Jig wandelt (ein traditioneller Solotanz mit akrobatisch schneller Fußarbeit), einem Cockney-Trinklied, diversen anderen Marschmelodien verbunden mit einem Hauch von keltischer Tongebung.
 Alle diese Materialien werden in einer kräftig-schnellen Eröffnung vorgestellt. Dann beginnt ein langsamer Mittelteil mit einem heiteren Kanon, der durch militärische Anmutungen und Themen durch Bläser und Schlagzeug nach und nach kontrapunktiert und überdeckt wird. Diese Konfrontation führt zu einer Steigerung bis zum Höhepunkt der Komposition. Eine ruhelose, unstete Coda bricht auch diese Entwicklung am Ende.


Manfred Honeck

Leitung: Manfred Honeck

Der gebürtige Österreicher ist 1958 geboren und begann seine musikalische Tätigkeit als Bratschist bei den Wiener Philharmonikern und an der Wiener Staatsoper. Nach ersten Dirigiererfahrungen mit dem Jeunesse Musicales Orchestra in Wien sowie als Assistent von Claudio Abbado beim Gustav Mahler Jugendorchester wurde er Kapellmeister am Opernhaus Zürich, später Musikdirektor der Oper in Oslo. Von 2007 bis 2011 war er Generalmusikdirektor an der Staatsoper Stuttgart. Seit 2008/09 Music Director beim Pittsburgh Symphony Orchestra. Anfang des Jahres wurde er von europäischen Fachmedien als „Künstler des Jahres“ gewählt.