Einführung zum Livestream-Konzert des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 3. Juni 2021


Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert Nr. 17, G-Dur, KV 453

Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart (* 1756 in Salzburg, † 1791 in Wien)

Anfang 1779 trat Mozart in Salzburg die Stelle des Hoforganisten an. Zwanzig Monate hatte er dadurch ein Einkommen, auch wenn das Verhältnis zu seinem Dienstherrn, dem Fürsterzbischoff von Colloredo, angespannt war, denn dieser verbot ihm die Mitwirkung an einträglichen Konzerten außerhalb Salzburgs. Nach dem berühmten gräflichen Fußtritt kündigte Mozart im Juni 1781 den Salzburger Dienst auf, ließ sich in Wien nieder und bestritt dort in den nächsten Jahren seinen Lebensunterhalt durch Konzerte in privaten und öffentlichen Akademien.
 Befreit von den Salzburger „Fesseln“, schuf der nun unabhängige Komponist und Musiklehrer, der ständig auf der Suche nach Auftraggebern und Klavierschülern war und der sich auch nicht scheute, auf „Vorrat“ zu arbeiten, die ganz großen Opern und eine Vielzahl von Klavierkonzerten, die er oft selbst vortrug.
 Gegen den Willen des Vaters heiratete er im Sommer 1782 Konstanze Weber. In jener Zeit bildete sich eine starke menschliche und künstlerische Annäherung zwischen Mozart und Joseph Haydn heraus, die für beide Männer außerordentlich fruchtbar war. Um 1782 wurde Mozart in das Haus des Gesandten Gottfried van Swieten eingeladen, wo vorwiegend Bach und Händel gespielt wurden, so dass er seine Kenntnis von deren Werken vertiefen konnte. Als äußeren Ausdruck seiner Weltanschauung, welche die Freundschaft und Verbrüderung aller Menschen zum Hauptziel hatte, trat Mozart 1784 einer Freimaurerloge bei und betonte von da an diese Gesinnung bei jeder Gelegenheit in seinen Werken. Es folgten einige Jahre, die mit der Komposition und Aufführung von Klavierkonzerten angefüllt waren und in denen es Mozart finanziell gut ging. Eine seiner Schülerinnen war Barbara (auch Babette) Ployer, die er nicht nur am Klavier, sondern auch in Komposition unterrichtete und der er zwei seiner Klavierkonzerte, das in Es-Dur, Nr. 14, KV 449 und das in G-Dur, Nr. 17, widmete. Beide Klavierkonzerte wurden von ihr in Döbling in ihrem Elternhaus aufgeführt.



Klavierkonzert, Nr. 17, G-Dur KV 453 (1784)

Orchesterbesetzung: Solo-Klavier – Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte - 2 Hörner – Streicher
Sätze: 1. Allegro – 2. Andante – 3. Allegretto, Presto
Spieldauer: ca. 30 Min.
Widmung: Barbara Ployer
Uraufführung: 10. Juni 1784, Döbling, Barbara Ployer, Klavier

Das 17. Klavierkonzert entstand wie seine beiden Vorgänger im Jahr 1784 in Wien. Mozart widmete es wie schon das 14. seiner Schülerin Barbara Ployer. Diese spielte das Konzert auch erstmals in ihrem Elternhaus in Döbling. Das Konzert ist technisch ebenso anspruchsvoll wie seine Vorgänger, was zeigt, dass Barbara Ployer eine begabte Pianistin war.
 Es ist das dritte Konzert, in dem Mozart die große und neue klassische Form etabliert, die er im Klavierkonzert Nr. 15, KV 450 erreicht hatte. So übernehmen beispielsweise die obligaten Bläser immer häufiger auch solistische Aufgaben und die Befreiung von den alten Formprinzipien ist deutlich zu spüren. Hier deutet sich die kommende romantische Epoche an. E.T.A. Hoffmann hat eine auf Schubert weisende Harmoniefolge im dritten Satz als „Beispiel der romantischen Musik“ bezeichnet. Der große Aufbau des Konzertes mit langen eigenständigen Orchesterpassagen weist auf die in der Romantik entstehenden symphonischen Klavierkonzerte sowie auf Mozarts eigene, die spätestens mit dem Klavierkonzert Nr. 20, KV 466 beginnen.
 Das Allegro beginnt mit einem marschartigen Hauptthema in den Violinen, welches vom Orchestertutti aufgenommen wird. Der Marschcharakter, welcher in den folgenden Konzerten KV 456 und KV 459 deutlich dominieren wird, erscheint hier zurückgenommen. Eine Überleitung in Moll führt zur Dominante und zum zweiten Thema. Eine verhalten wirkende Schlussgruppe beendet die lange Orchesterexposition. Das Soloklavier übernimmt anschließend beide Themen und fügt noch ein eigenes drittes Thema hinzu. Die Überleitung zur Durchführung erfolgt mit Arpeggio-Mollakkorden. Es ist eine Stelle, die in ihrer Harmoniefolge auf Franz Schubert weist und somit als Grundlage romantischer Musik gelten kann. Nahezu jeder Takt bringt eine neue Harmonie, innerhalb von zwanzig Takten werden 13 Tonarten berührt. Es folgen thematische Elemente, die diese Durchführung zwischen Phantasie- und thematischer Durchführung ansetzen. Die anschließende Reprise verläuft nahezu regelkonform. Sie endet mit einem harmonischen und dynamischen Trugschluss, wie er noch zweimal im Satz verwendet wird. So folgt auf die Dominante die erniedrigte sechste Stufe, verbunden mit einem subito-forte des Klaviers. Nach einer motivisch vorgehenden Solokadenz folgt ein ungewöhnlich langes abschließendes Orchesterritornell.
 Das Andante ist in der Sonatensatzform geschrieben, was für Mittelsätze in Mozarts Konzerten selten ist. Die Grundtonart des Satzes ist C-Dur. Das Andante beginnt mit einer getragenen Orchesterkantilene, in der die Holzbläser eine tragende melodische Rolle spielen. Die Soloexposition des Klaviers weist dynamische Gegensätze, synkopisch einsetzende Läufe und eine sukzessive Verschiebung der Harmonik bis nach Gis-Dur auf. Das Klavier führt zunächst einen neuen Gedanken in g-Moll ein, bevor es zum kanonischen zweiten Thema übergeht, das nun vierstimmig wird. Die Durchführung wird zunächst in 13 Takten nach gis-Moll geführt, bevor die Rückführung nach C-Dur in nur vier Takten pianissimo vollzogen wird. Es folgen eine veränderte Reprise, die nach der Exposition abläuft, und – hier zum letzten Mal in einem Mittelsatz eines Klavierkonzertes Mozarts – eine Solokadenz bringt. Die emotionale und künstlerische Bedeutung der Mittelsätze, in der Regel Andante-Sätze, steigt in den kommenden Konzerten stetig an und legt den Fokus zunehmend auf Ausdruck und künstlerische Aussage, weniger auf Virtuosität. Bereits im nachfolgenden 18. Klavierkonzert KV 456 fehlt diese Kadenz im Andante.
 Das Finale ist kein Rondo, sondern ein Variationensatz – nur im dritten Satz des Klavierkonzertes Nr. 24 kommt das noch einmal vor. Das beschwingte Thema wird im Orchester vorgestellt und vom virtuosen Soloklavier in einer ersten Variation umspielt. Die Wiederholung der Variation bringt neue Aspekte. Jede Variation erhält bei ihrer Wiederholung erneut ausgeschriebene Veränderungen. Die folgende dritte Variation bringt einen anderen Rhythmus mit sich. Erneut greift das Soloklavier die Melodie auf und umspielt sie. Die vierte Variation steht in g-Moll. Die fünfte bringt schnelle abfallende Einwürfe des Orchestertuttis und einen vollgriffigen Klaviersatz. In einer ausgedehnten Presto-Coda erweitert Mozart den Satz zu einem instrumentalen Opernfinale, das in seiner Art an Le nozze de Figaro erinnert. Sie wird eingeleitet durch eine Tempoverschärfung und beschleunigende Hornakkorde. Zweimal taucht auch hier das Variationsthema kurz auf, ansonsten ist dieser Teil thematisch unabhängig.


Andrew Manze

Leitung: Andrew Manze

Der britische Geiger und Dirigent wurde 1965 geboren. Er widmet sich vor allem der historischen Aufführungspraxis. Zunächst studierte er in Cambridge Altphilologie, danach Violine. In den Niederlanden setzte er das Violin-Studium fort. Mit Nigel North, Laute, und John Toll, Cembalo, gründete er das Ensemble Romanesca. Ab 1988 war er Konzertmeister des Amsterdam Baroque Orchestra, von 2003 bis 2007 leitete er das englische Barockorchester The English Concert. Von 2006 bis 2014 war er Chefdirigent des Helsingborger Symphonieorchesters. Seit 2014 leitet er die NDR Radiophilharmonie in Hannover. Manze sieht sich, wie er in einem Interview erklärte, als einer der „Leute aus der historischen Musikwelt“. Er brauche die historische Perspektive auf die Musik. Aber – bezogen auf Mozart und die Französische Revolution – der Komponist gehe von der Musik aus. „Er ist in der Musik, auch die Revolution ist bei ihm in der Musik.“

Martin Helmchen

Klavier: Martin Helmchen

Er wurde 1982 in Berlin geboren. Mit sechs Jahren erhielt Helmchen ersten Klavierunterricht, ab 1990 bei Corinna Simon. Er studierte in Berlin bei Galina Iwanzowa und ab 2001 in Hannover bei Arie Vardi; weitere Mentoren sind William Grant Naboré sowie Alfred Brendel. Bereits während seines Studiums gewann er zahlreiche Preise und konzertierte mit verschiedenen Orchestern. Sein Schwerpunkt liegt in der Kammermusik, wo er mit Heinrich Schiff und Marie-Elisabeth Hecker musiziert. Weitere Partner sind Gidon Kremer, Christian Tetzlaff, Sharon Kam, Tabea Zimmermann, Juliane Banse, Julia Fischer, Sabine Meyer und Lars Vogt. Seit 2010 ist Martin Helmchen Associate Professor für Kammermusik an der Kronberg Academy. 2019 erhielt er ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom. Martin Helmchen ist mit der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker verheiratet und Vater von drei Töchtern.