Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 17. Oktober 2018


Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert A-Dur, KV 488

Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart (* 1756 in Salzburg, † 1791 in Wien)

Die Zeit von Mozarts erster Anstellung bei dem Salzburger Fürsterzbischof Hieronymus Franz Josef von Colloredo zunächst von 1772 bis 1777 als Konzertmeister, dann von 1777 bis 1781 als Hoforganist endete mit einem „tritt im arsch“ – wie Mozart in einem Brief formulierte. Dieses Ende markiert zugleich die Lösung von der väterlichen Fürsorge, die Etablierung in Wien als freischaffender Musiker ohne feste Anstellung – obwohl Mozart eine Stelle durchaus weiterhin anstrebte. Um sich eine finanzielle Grundlage für seinen Lebensunterhalt zu schaffen, suchte er vor allem in Adelskreisen nach Schülerinnen. Für den Unterricht komponierte er Klavierlektionen, Variationen für Klavier und Violinsonaten und schuf sich damit attraktives Material, das er seinen Schülerinnen widmen konnte, wofür er sicher gesonderte Vergütungen erhielt.
 Als Pianist nutzte er jede sich bietende Gelegenheit privater oder halböffentlicher Auftritte. Diese Konzerte brachten ihm nicht nur Honorar und Bewunderung für seine pianistischen Fähigkeiten, er nutzte sie auch, um seine Kompositionen bekannt zu machen.
 Große Hoffnungen setzte er in die Pläne des Kaisers, am Deutschen Nationaltheater in Wien volkssprachige Singspiele herauszubringen. Und bereits im Frühjahr 1781 erhielt er den Auftrag für die Entführung aus dem Serail KV 384. Diese Oper wurde erst nach einigen Verzögerungen durch Intrigen und Missgunst, er habe sich durch „gros-sprechen, kritisiren, die Profeßori von der Musick, und auch andere leute zu feind“ gemacht, endlich im Juli 1782 aufgeführt und wurde zu einem großen Erfolg. Das finanzielle Ergebnis war nicht sehr hoch und besserte seine Lage nur für kurze Zeit. Trotzdem entschloss er sich in dieser Situation, auch von der zukünftigen Schwiegermutter unter Druck gesetzt, zur Heirat mit Constanze Weber – gegen den Willen seines Vaters.
 Den Winter 1783 nutzte Mozart zur Beteiligung an der nach Ende der Faschingszeit beginnende bis in die Karwoche reichende Konzertsaison. Hierfür komponierte er von nun an bis 1786 regelmäßig und beteiligte sich als Dirigent, Pianist, Cembalist und Veranstalter. Wie konsequent er die Konzertsaisons vorbereitete, belegt das in dieser Zeit begonnene eigenhändige Werk-„Verzeichnüß“. Im Frühjahr 1784 führte er in den Subskriptionskonzerten im Wochentakt die drei neuen Klavierkonzerte Es-Dur KV 449, B-Dur KV 450 und D-Dur KV 451, die Symphonien C-Dur KV 425 (Linzer) und D-Dur KV 385 (Haffner) sowie das Klavier-Bläserquintett Es-Dur KV 452, von dem er meinte, es sei „das beste was [ich] noch in [meinem] leben geschrieben habe“.
 Die Konzertserie im Jahr 1785 war wahrscheinlich die glanzvollste und erfolgreichste. Hier brachte Mozart das Klavierkonzert B-Dur KV 456, die große Klaviersonate c-Moll KV 457, die Fantasie c-Moll KV 475 und die Klavierkonzerte d-Moll KV 466 und C-Dur KV 467. Diese Konzertserie hörte auch Vater Leopold, der von den Erfolgen tief beeindruckt seiner Tochter nach Salzburg von den Uraufführungen und von den Worten Haydns berichtete, Mozart sei „der größte Componist“; er habe „geschmack, und über das die größte Compositionswissenschaft“.
 Im gleichen Jahr nahm Mozart die konzeptionelle Arbeit an seiner opera buffa Le nozze di Figaro KV 492 auf. Möglichweise führte diese Arbeit – die Uraufführung erfolgte im Mai 1786 – zu einer reduzierten Beteiligung an den Subskriptionskonzerten im Winter 1785/86. Diesmal trug er das Klavierkonzert Es-Dur KV 482 und das Klavierquartett g Moll KV 478 zum Konzert der Tonkünstler-Societät im Dezember bei. Für die Frühjahrskonzerte hatte er die zwei Klavierkonzerte A-Dur KV 488 und c-Moll KV 491 komponiert. Ob sie wirklich aufgeführt wurden, ist nicht belegt. Nachgewiesen ist lediglich ein Konzert im Februar mit Mozarts einaktiger Oper Der Schauspieldirektor KV 486 in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn, ein Auftritt im Rahmen eines Konzertes der Sopranistin Josepha Duschek im März, sowie eine Veranstaltung im Burgtheater Anfang April – die letzte sicher bezeugte Akademie Mozarts in Wien überhaupt. Das Klavierkonzert KV 488 wurde zusammen mit anderen Partituren nach Donaueschingen geschickt.
 Der Winter 1787 war durch die Reise nach Prag und den dortigen Erfolg des Figaro geprägt. Dem üppigen Wiener Konzertleben machte der ab 1787 bis 1792 geführte Russisch-Österreichische Türkenkrieg den Garaus.



Klavierkonzert A-Dur KV 488 (1786)

Orchesterbesetzung: Solo-Klavier – Flöte, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner – Streicher
Sätze: 1. Allegro – 2. Adagio – 3. Allegro Assai
Spieldauer: ca. 24 Min.
Uraufführung: fertiggestellt am 2. März 1786, Uraufführung fraglich.

Die Besetzung des Klavierkonzerts A-Dur KV 488 weist wie die Klavierkonzerte Es-Dur KV 482 und c-Moll KV 491 statt Oboen zwei Klarinetten auf, allerdings fehlen hier Trompeten und Pauken, wie in den früheren Konzerten von 1784. Es ist eines der berühmtesten Kompositionen Mozarts und wird als Inbegriff des klassischen Klavierkonzertes angesehen. Zwischen den drei Sätzen bestehen enge thematische Bindungen, wie sie vorher nur in Mozarts Klavierkonzert d-Moll KV 466 zu finden waren. An dieser Vorgehensweise haben sich später viele Komponisten, angefangen mit Beethoven, orientiert.
 Der Kopfsatz des Konzerts beginnt zunächst ohne Solisten mit einer verhaltenen Einleitung der Streicher, aus der sich dann ein heiteres Hauptthema entwickelt, das vom ganzen Orchester exponiert wird. Auch das zweite lyrische Thema wird zunächst von den Streichern, dann vom ganzen Orchester mit einem langen Nachsatz dargestellt. Erst danach setzt das Solo-Klavier mit dem anfänglichen Einleitungsmotiv ein. Die beiden Themen werden wiederholt, angereichert durch dialoghafte Variationen zwischen Orchester und Soloinstrument. Am Ende der Exposition oder am Anfang der Durchführung wird ein weiteres Thema entwickelt, das im Wechselspiel zwischen Klavier und Orchester fast die gesamte Durchführung bestimmt. Immer wieder wird der Fluss durch fast choralartig leise Orchesterpassagen unterbrochen, bevor das Soloinstrument wieder die Führung übernimmt und davonstürmt. Wie schon die Wiederholung der Exposition eine Verarbeitung war, so verarbeitet auch die Reprise die vorherige Entwicklung. In die Reprise selbst ist eine von Mozart ausgeschriebene Solokadenz eingefügt, die – ähnlich des Wechselspiels in der Durchführung – kräftige, virtuose Stellen für leise, fast ins Nichts zurückgenommene Passagen unterbricht. Mit einem kurzen Schlussritornell beendet das Orchester den Satz wie nebensächlich mit einer kleinen Haydn’schen Drehfigur.
 Obwohl Mozart die Regel, „in Concerten sollen lauter Andante und keine Adagio sein“ formuliert hat, schreibt er hier für den zweiten Satz Adagio vor. Es steht in fis-Moll und im Sicilianotakt (6/8). Formal weist er eine freie Anwendung einer dreiteiligen Liedform auf. Das Thema besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen. Der erste ist ein kleines trauriges Liedchen, es ist aus drei viertaktigen Perioden gebaut und endet in einer neapolitanischen Kadenz. Man ist an Schubert erinnert. Dieser Teil wird vom Solo-Klavier alleine vorgestellt. Der Orchestereinsatz bringt eine andere, langsamere Bewegung, die nun kontrapunktisch verflochten wird. Beiden Teile werden variiert und wechseln sich noch einmal ab. Der Mittelteil in A-Dur wird von den Holzbläsern eingeführt und mit der triolischen Begleitung erscheint eine andere Beweglichkeit. Das erste Thema mit seinen beiden Teilen kehrt wieder, diesmal allerdings an entscheidenden Stellen harmonisch verändert. So endet z.B. das kleine Klavierliedchen diesmal nicht in fis-Moll, sondern im Gegenklang D-Dur. Am Ende wird eine Coda angehängt, eingeleitet mit einer raffinierten Unisono-Begleitung der zupfenden Streicher und einer erneuten Verwandlung des zweiten Teils des ersten Themas.
 Das abschließende Rondo im Allegro assai-Tempo stellt einen großen Gegensatz sowohl zum vorangegangenen Adagio als auch zum ersten Satz dar. Schwungvoll und humorig, kraftvoll und rasant verwandelt es Motive, die es mit den ersten beiden Sätzen verbindet in einen ganz anderen Gestus. Intensives Dialogisieren zwischen Orchester und Solo-Instrument bietet letzterem genügend Raum zur Entfaltung, so dass dieser Satz ausnahmsweise keine Solokadenz mehr aufweist.
 Das Refrainthema besteht aus zwei Teilen, die aufeinander folgen. Der erste Teil wird vom Klavier eingeführt und vom Orchester wiederholt, durchläuft einige Sequenzen und mündet in eine Tutti-Schlussgruppe. Der zweite Teil beginnt lyrischer und wird wieder vom Soloklavier eingeführt, und führt nach einer Imitation durch die Bläser mit dem Einsatz der Streicher in einen Abschnitt mit perlenden Klavierläufen. Das erste Couplet bringt eine Melodie in e-Moll der Flöte mit verdoppelndem Fagott und Streicherbegleitung, die wiederum vom Klavier aufgenommen wird, durch einige Modulationen geführt wird und einen ausgedehnten Nachsatz aufweist. Auf die verkürzte Wiederkehr des Refrains folgt ein zweites Couplet in fis-Moll. Auch dieses Couplet weist zwei Teile auf, der zweite Teil steht in D-Dur. Der nächste Refrain bringt diesmal nur den zweiten Teil des Themas und leitet sofort zur Wiederholung des ersten Couplets in a-Moll über. Erst danach folgt die Wiederholung des ersten Teils des Refrainthemas. Dieser bestimmt den ganzen abschließenden Teil des Satzes einschließlich einer Buffocoda, die Mozart hier ähnlich wie im Klavierkonzert G-Dur KV 453 gestaltet. Vielleicht ein Anklang an die Hochzeit des Figaro, an der Mozart ja zeitgleich arbeitete?


Andrés Orozco-Estrada

Leitung: Andrés Orozco-Estrada

1977 in Medellín, Kolumbien geboren. Er begann seine Ausbildung mit Violinunterricht. Als 15jähriger erhielt er den ersten Dirigierunterricht. Von 1997 bis 2003 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Wien, in der Dirigierklasse von Uroš Lajovic, einem Schüler des legendären Hans Swarowsky. 2004 sprang Orozco-Estrada kurzfristig bei einem Festwochen-Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Wiener Musikverein ein. Dieses Konzert, nach dem Orozco-Estrada von der Wiener Presse als „das Wunder von Wien“ gefeiert wurde, führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Orchester, sowie zu Einladungen zahlreicher internationaler Orchester. 2007 wurde er Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Mit der Saison 2014/2015 folgte er Paavo Järvi als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters und wurde Musikdirektor der texanischen Houston Symphony. Ab der Saison 2021/22 wird er Chefdirigent der Wiener Symphoniker als Nachfolger von Philippe Jordan.

Rafał Blechacz

Klavier: Rafał Blechacz

wurde 1985 in Nakło nad Notecią bei Bydgoszcz (Bromberg), Polen geboren. Er begann im Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspielen und besuchte mit 8 Jahren die Staatliche Artur Rubinstein-Musikschule in Bydgoszcz. Im Mai 2007 schloss er sein Studium an der Feliks Nowowiejski-Musikakademie Bydgoszcz bei Katarzyna Popowa-Zydroń ab. Seit 1996 erhielt er mehrere hochkarätige Preise und spielte die Preludes und Klavierkonzerte von Chopin, einige Sonaten von Haydn, Beethoven und Mozart, sowie eine Reihe von Werken von Joh. Seb. Bach ein.