Einführung zum Livestream-Konzert des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 28. Januar 2021


Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzert Nr. 1, B-Dur KV 207

Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart (* 1756 in Salzburg, † 1791 in Wien)

Am 12. Dezember 1771 schrieb Kaiserin Maria Theresia ihrem Sohn, Erzherzog Ferdinand, Generalgouverneur der Lombardei, der beabsichtigte, den 15-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart bei sich aufzunehmen, nach Mailand: „Du fragst mich, ob Du den jungen Salzburger in Deine Dienste nehmen sollst. Ich wüßte nicht, wozu und warum, da Du doch nicht nötig hast, einen Komponisten und ähnlich nutzloses Volk anzustellen. Ich sage es Dir nur, um Dich nicht mit unnützen Leuten zu belasten. Zudem hängt ihm eine große Familie an.“
 Als Mozart 1781 bei Fürsterzbischof Hieronymus Graf von Colloredo um seine Entlassung nachsuchte, wurde er wie ein Kutscher beschimpft und als „Bettelmusikant“ hinausgeworfen. Die Intriganten in Wien und anderswo rannten offene Türen ein. Man lehnte Mozart überall wegen seiner Musik ab. Wie bei der heutigen neuen Musik verabscheuten auch Mozarts Zeitgenossen die Musik ihrer Gegenwart. Können wir das heute für Mozarts Musik noch nachvollziehen?
 Spätestens am Ende der dritten Italien-Reise im Frühjahr 1773 mussten sich Wolfgang Amadeus und sein Vater Leopold Mozart eingestehen, dass die Wunderkind-Zeit – angefüllt mit Konzertreisen in alle Welt, voller Staunen und Bewunderung für die kindlichen Kunststücke – vorbei war. Wolfgang Amadeus war nun ein junger Musiker, dem im Musikleben kein dauerhafter Platz zugestanden wurde. Der Sensationseffekt, den ein jugendlicher Komponist hervorrief, war verbraucht – die Werke allein und im Vergleich mit zeitgenössischen Produktionen jedenfalls legten es niemandem nahe, den Jungen als unentbehrliche Größe in der Musikwelt anzusehen.
 Die Zeit in Salzburg nach der Rückkehr aus Italien und vor der Reise nach Wien im Juli nutzte Mozart für eine Reihe von Kompositionen. Dazu gehörten mehrere Sinfonien, die Missa in honorem Sanctissimae Trinitatis C-Dur KV 167, wahrscheinlich das Divertimento KV 205 und das Violinkonzert B-Dur KV 207.



ViolinkonzertNr. 1, B-Dur KV 207 (1773)

Orchesterbesetzung: Solo-Violine – 2 Oboen – 2 Hörner – Streicher (8-6-4-3-2)
Sätze: 1. Allegro moderato, 2. Adagio, 3. Presto
Spieldauer: ca. 20 Min.

Das Datum auf dem Autograph wurde von Mozart selbst mehrfach geändert, so dass die genaue Entstehungszeit lange Zeit unklar war. Neuere Forschungen mit Schriftvergleich und Papier- und Tintenanalyse haben inzwischen ziemlich sicher das Frühjahr 1773 ergeben. Das Violinkonzert ist wohl zum eigenen Gebrauch geschrieben. Ob es von Mozart selbst oder etwa von Josef Mysliveček, Antonio Brunetti oder Johann Anton Kolb – alles Solisten, die einiges von Mozart gespielt haben – zu Lebzeiten Mozarts je aufgeführt wurde, ist unbekannt. Offensichtlich hat Mozart das Rondo in B-Dur KV 269 auf Wunsch des Salzburger Geigers Antonio Brunetti 1775 als Ersatz für das Finale des Konzerts B-Dur komponiert. Sicher ist, dass die Violinkonzerte sowohl zu Mozarts Zeit als auch im 19. Jahrhundert wesentlich weniger bekannt waren als etwa die Klavierkonzerte.
 Die Anordnung der Sätze folgt dem Vorbild Vivaldis, dreisätzig: langsam – schnell – langsam. Alle drei Sätze weisen eine zu improvisierende Solo-Kadenz auf und der Solo-Violine sind in jedem Satz nicht häufige, aber auffällige Triolen-Bewegungen vorbehalten, die im Orchester gar nicht vorkommen. Auch die Concerto-Form, also die Abwechslung zwischen Tutti- und Solo-Passagen mit verkleinerter Orchester-Begleitung folgt dem Modell Vivaldis.

 Der erste Satz weist eine Sonatenhauptsatzform mit relativ kurzer Durchführung in Moll und einer Reprise, die die Bestandteile der Exposition in eine andere Reihenfolge bringt. Die Solo-Kadenz steht am Ende, der nur noch eine kurze Coda folgt.
 Im langsamen Satz entspinnt sich ein Dialog zwischen der Solo- und der zweiten Violine, die ausgehend von Begleitmustern sich musikalisch zunehmend emanzipiert und immer wieder als Gegenpart auftritt. Relativ kurze Tutti-Passagen unterbrechen dieses Spiel und nehmen dabei das entwickelte thematische Material auf.
 Das Finale startet mit einer energischen Introduktion, die in einer punktierten Unisono-Kadenz in die Dominante mündet und im Verlauf des Stückes nicht wieder aufgenommen wird. Es folgt ein freies Rondo mit einigen auffälligen Motiven: Zwei im forte unisono gespielte absteigende Dreiklänge als Interpunktion, mehrere zweistimmige graziös durchbrochene Motive und ausgedehnte virtuose Laufpassagen der Solo-Violine. Nur in der Coda nach der Solo-Kadenz, liegt der virtuose Lauf noch einmal bei den 2. Violinen.


Andrea Marcon

Leitung: Andrea Marcon

Italienischer Organist, Cembalist und Dirigent. Andrea Marcon begann seine musikalische Ausbildung im Alter von sieben Jahren. Er studierte Orgel und Cembalo in Castelfranco Veneto und an der Schola Cantorum Basiliensis. Er widmete sich vor allem der Aufführung barocker Musik. Mit dem Venice Baroque Orchestra führte er zahlreiche barocke Opern auf. 2004 dirigierte er Händels Ariodante und im Februar 2010 richtete er Vivaldis Oper Orlando furioso neu ein und dirigierte beide in der Frankfurter Oper. Seit 1997 unterrichtet Andrea Marcon an der Schola Cantorum Basiliensis Cembalo und wirkt daneben als Gastdozent am Sweelinck Conservatorium in Amsterdam.

Sergej Malov

Violine: Sergej Malov

Der russische Geiger und Bratschist studierte am Mozarteum Salzburg und an der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ und gewann 1998 den Internationalen Louis Spohr Wettbewerb. Dort entdeckte er das Violoncello da spalla. Neben zahlreichen Werken des Barock für alle drei Instrumente umfasst sein Repertoire auch die wichtigsten klassischen, romantischen und modernen Viola- und Violinkonzerte. Sein Instrumentarium umfasst eine Geige von Ferdinando Gagliano, eine Barockgeige von Dmitry Badiarov, eine Viola von Pietro Gaggini (1958) und ein Violoncello da spalla, speziell für ihn gebaut von Dmitry Badiarov (2011). Seit 2017 ist Sergey Malov Professor für Violine an die Musikhochschule Zürich.