Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 11. Februar 2020


Camille Saint-Saëns: Konzert für Violoncello Nr. 1, a-Moll, Op. 33

Camille Saint-Saëns
Camille Saint-Saëns (* 1835 in Paris; † 1921 in Algier )

Früh war Camille Saint-Saëns als Wunderkind gefeiert worden. Seine erste Komposition, einen Galopp für Klavier, schuf er im Alter von drei Jahren und fünf Monaten. Und als Saint-Saëns zehn war, gab er im Mai 1846 sein Debüt als Konzertpianist vor großem Publikum, in der Pariser Salle Pleyel mit Klavierkonzerten von Mozart und Beethoven. Als Zugabe spielte er noch eine Sonate von Beethoven, die das Publikum frei unter sämtlichen 32 aussuchen durfte – er hatte sie ausnahmslos alle im Kopf und in den Fingern. Saint-Saëns war ein Universalist, versiert in allen Gattungen: Er schuf Opern und Bühnenmusiken (sogar eine Filmmusik), Messen und Oratorien, weltliche Chorwerke in den verschiedensten Formen und Besetzungen, zahlreiche Lieder, Konzerte, Symphonien, Symphonische Dichtungen, Klaviermusik (z. B. Etüden, Mazurken, Fugen), Werke für Orgel und für Harmonium und Kammermusik in allen erdenklichen Konstellationen. Als er das Cellokonzert schrieb war er 36 Jahre alt und konnte bereits auf eine beachtliche Karriere zurückblicken.
„Saint-Saëns verfügt über eine erstaunliche musikalische Gestaltungskraft“, schrieb mit bewundernder Anerkennung sein Landsmann und Zeitgenosse Charles Gounod. „Er ist ein Meister seiner Kunst wie kein anderer Komponist; er kennt die Klassiker von Grund auf, er beherrscht den Orchesterapparat mit derselben spielerischen Leichtigkeit wie das Klavier, was einiges heißt. Er unterwirft sich keinen Dogmen, gehört keiner Partei und keiner Clique an; er drängt sich nicht auf als Reformer von irgendetwas; er schreibt, wie er fühlt, und macht Gebrauch von allem, was er kennt.“ Das sah der so gepriesene Komponist offenbar nicht anders: „Im Grunde sind es weder Bach noch Beethoven, noch Wagner, die ich liebe – es ist die Kunst allein. Ich bin ein Eklektiker“, bekannte er und fügte hinzu: „Leidenschaftlich liebe ich die Freiheit.“



Konzert für Violoncello Nr. 1, a-Moll, Op. 33 (1872)

Orchesterbesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 2 Hörner, 2 Trompeten – Pauken – Streicher (14-12-10-8-6)
Tempobezeichnungen: Allegro non troppo / Allegretto con moto / Un peu moins vite
Spieldauer: ca. 20 Min.
Uraufführung: 9. Januar 1873, in Paris, Auguste Tolbeque, Violoncello, Société des Concerts du Conservatoire.

Saint-Saëns brach mit dem Cello-Konzert die üblichen Konventionen. Statt der dreisätzigen Konzertform strukturierte er das Stück in einem durchgehenden Satz. Dieser einzelne Satz enthält drei verschiedene Abschnitte mit eng miteinander verbundenen Ideen. Saint-Saëns' Kontakt mit Franz Liszt während seiner Tätigkeit als Organist an der Église de la Madeleine mag ihn dazu veranlasst haben, in seinen Orchesterwerken die zyklische Form zu verwenden.
 Statt einer traditionellen Orchestereinleitung beginnt das Stück mit einem kurzen Akkord des Orchesters, worauf das Cello unmittelbar mit dem Hauptmotiv folgt. Bald erscheinen kontrapunktische Melodien aus dem Orchester und vom Solisten, es entsteht ein Ruf- und Antwortspiel.
 Mit dem Tempowechsel zum Allegretto con moto erscheint ein kurzes, aber originelles Menuett, in dem die Streicher gedämpft sind und das eine Cellokadenz enthält.
 Mit der Neuformulierung des Eröffnungsmaterials aus dem ersten Satz beginnt das Finale. Saint-Saëns führt zwei neue Themen ein, schließt aber auch die Reprise des vierten Themas aus dem ersten Satz ein, wodurch die gesamte Gestalt zusammengebunden wird. Nach einer abschließenden Neuformulierung des Eröffnungsthemas führt er zum Schluss eine völlig neue Idee für das Cello ein.
 Saint-Saëns verwendet das Solo-Cello oft als Deklamationsinstrument. Dadurch bleibt der Solist im dramatischen und musikalischen Vordergrund, das Orchester bietet eine flirrende Kulisse. Die Musik ist für Solisten enorm anspruchsvoll, besonders im schnellen dritten Teil. Diese Schwierigkeit hat das Konzert nicht davon abgehalten, zu einem Favoriten der großen Cellovirtuosen zu werden.


Alain Altinoglu

Leitung: Alain Altinoglu

Der 1975 in Paris geborene Dirigent armenischer Abstammung studierte am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse, an dem er seitdem auch selbst unterrichtet und seit 2014 die Dirigierklasse leitet. 2016 wurde Altinoglu Directeur Musical des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, gerade hat er dort seinen Vertrag bis 2025 verlängert. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent begleitet er seine Ehefrau, die Mezzosopranistin und Liedsängerin Nora Gubisch am Klavier und macht hin und wieder auch Ausflüge in den Bereich von Jazz und Improvisation. Ab 2021 wird er Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters.

Gautier Capuçon

Violoncello: Gautier Capuçon

Der französische Cellist wurde 1981 in Chambéry geboren. Im Alter von fünf Jahren begann er, Cello zu spielen, studierte bei Augustin Lefèbvre, dann in Paris bei Annie Cochet-Zakine und Philippe Muller und in Wien bei Heinrich Schiff. Er erhielt mehrere erste Preise bei internationalen Wettbewerben, darunter den ersten Großen Preis beim Internationalen Wettbewerb André Navarra in Toulouse. Seit 2014 ist er Gründer und künstlerischer Leiter der Class of Cello Excellence der Louis Vuitton-Stiftung in Paris. Mit dem hr-Sinfonieorchester spielte er das Dvořák-Cellokonzert für Erato ein.
Gautier Capuçon spielt das Cello, „L'Ambassadeur“, gebaut 1701 von Matteo Goffriler.