Einführung zum Video-Livestream des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 11. März 2022


Robert Schumann: Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll

Robert Schumann
Robert Schumann (* 1810 in Zwickau; † 1856 in Endenich, heute Bonn)

Die biographischen Stationen Robert Schumanns waren verbunden mit der konzentrierten kompositorischen Befassung mit verschiedenen Musikgattungen und -besetzungen. Zwischen 1830 und 1840 komponierte er überwiegend Klaviermusik. Mit seiner nach langen Auseinandersetzungen schließlich gerichtlich durchgesetzten Heirat mit Clara Wieck 1840 wandte sich Schumann der Produktion von Liedern und Vokalmusik zu. Bis Anfang 1841 entstanden etwa die Hälfte aller Schumannschen Lieder und Chorwerke. Ende 1840 begann zugleich seine Befassung mit sinfonischem Komponieren. Im Frühjahr 1842 wandte er sich der Kammermusik zu, schließlich 1844-48 der Oper, bzw. den literarisch motivierten Werken, Der Corsar (Fragment), Genoveva, Manfred und Scenen aus Göthes Faust, die als Oper geplant waren.
 Nach vergeblichen Hoffnungen auf eine Stelle als Gewandhauskapellmeister in Leipzig oder als Hofopernkapellmeister in Dresden nahm Schumann 1850 das Angebot von Ferdinand Hiller an, als städtischer Musikdirektor nach Düsseldorf zu wechseln – seine erste und einzige feste Anstellung als professioneller Musiker. Hier erschloss er sich Oratorien-Kompositionen, Ouvertüren und das Solo-Konzert. Seine Aufgaben bestanden vor allem in der Leitung des aus Berufsmusikern und Amateuren gemischten Orchesters, das vom Allgemeinen Musikverein der Stadt getragen wurde und des aus Laiensängern aus der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht sich konstituierenden Gesangsvereins. Mit diesen Organisationen gab es zehn Abonnementskonzerte pro Wintersaison zu bestreiten, daneben war er verpflichtet, vier größere musikalische Aufführungen pro Jahr in den katholischen Kirchen St. Maximilian und St. Lambertus durchzuführen. Neben diesen Verpflichtungen arbeitete er eilig an verschiedenen Kompositionen, die er in den Abonnementskonzerten zu plazieren gedachte. Ein erstes Werk war das Cellokonzert op. 129, das allerdings der Widmungsträger, der Frankfurter Cellist Emil Bockmühl, ablehnte, es sei zu wenig „klingend und melodiös“. Allerdings konnte Schumann seine Symphonie in Es-Dur op. 97 bereits im 6. Abonnementskonzert im Februar 1851 uraufführen, weswegen sie dann „Die Rheinische“ genannt wurde. 1853 konnte er auch die zweite Fassung seiner d-Moll-Symphonie op. 120, die er 1851 erstellt hatte, mit großem Erfolg aufführen. Aus der Bekanntschaft mit dem Geiger Joseph Joachim ergab sich auch die wichtige Begegnung mit dem 20 jährigen Brahms, die sich in einem letzten Schaffensschub niederschlug.



Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll, op. 129 (1850)

Orchesterbesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 2 Hörner, 2 Trompeten – Pauken – Streicher
Sätze: 1. Nicht zu schnell - Etwas zurückhaltend
2. Langsam - Etwas lebhafter - Tempo I - Schneller - Schneller und schneller
3. Sehr lebhaft - Im Tempo - Schneller
Spieldauer: ca. 25 Min.
Widmung: Emil Bockmühl Uraufführung: 23. April 1860 in Oldenburg, Ludwig Ebert – Violoncello, Großherzogliche Hofkapelle Oldenburg, Karl Franzen – Ltg.

Schumann schrieb das Cellokonzert in nur zwei Wochen, zwischen dem 10. Oktober und 24. Oktober 1850. Es wurde zu seinen Lebzeiten nie gespielt und erst 1860, vier Jahre nach seinem Tod, uraufgeführt. Das Werk gilt aufgrund seiner Struktur, der Länge der Exposition, der transzendentalen Qualität des ersten Satzes und der intensiven Lyrik des zweiten Satzes als eines der rätselhaftesten Werke Schumanns. Da er den Applaus zwischen den Sätzen verabscheute, gibt es im Konzert keine Pausen zwischen den Sätzen; in der Tat gehört Schumanns Geschicklichkeit im Umgang mit den beiden Übergängen zwischen den drei Sätzen zu den auffälligsten Merkmalen des Konzerts.
 Der erste Satz des Konzerts beginnt mit einer sehr kurzen Orchestereinleitung, gefolgt von dem Hauptthema, einer ausschweifenden Kantilene, die den Tonumfang des Solocellos weiträumig ausnutzt. Dem folgt ein kurzes Tutti, das in zusätzliches melodisches Material mündet, das neu ist, aber auch mit dem vorangegangenen in Beziehung steht. Auf diese Weise erhält das Werk einen improvisatorischen und phantasievollen Charakter. Ein Großteil der Reprise folgt ziemlich genau der Exposition; zum Schluss wechselt er nach A-Dur.
 Der kurze, intensiv melodische zweite Satz in F-Dur verlangt vom Solisten einige Doppelgriffpassagen. Schumann verwendet die absteigende Quinte, eine Geste, die im ganzen Stück als Signal und Hommage an seine Frau Clara verstanden wird – dieses Motiv wurde auch in seiner ersten Klaviersonate verwendet. Außerdem hat der Solist ein Duett mit dem Orchestercellisten – eine sehr ungewöhnliche Textur, die wie ein intimer Dialog wirkt.
 Der dritte Satz ist ein leichteres, aber dennoch entschlossenes Rondo, und hier setzt Schumann zum ersten Mal im Werk die Pauke ein, was den marschartigen Charakter des Hauptthemas noch verstärkt. Am Ende des Satzes gibt es eine begleitete Kadenz zunächst langsamem, dann beschleunigendem Tempo, etwas, das zu Schumanns Zeiten beispiellos war; diese Kadenz führt in die abschließende Coda, in der Schumann die Tonart in A-Dur ändert.
 Das Solo-Instrument wird zwar voll durchwegs ausgenutzt, aber die Komposition vermeidet die virtuose Zurschaustellung, die in vielen Konzerten dieser Zeit üblich ist. Wie so oft bei der Musik von Schumann bietet das Konzert zwar mehr als ausreichende technische Anforderungen, erfordert aber auch einen Interpreten von höchstem Rang.



Juraj Valčuha

Leitung: Juraj Valčuha

Der slowakische Dirigent wurde 1976 in Bratislava geboren. Er studierte Komposition und Dirigieren am Konservatorium Bratislava, Dirigieren bei Ilya Musin in Sankt Petersburg und bei Janos Fürst am Conservatoire de Paris. Von 2003 bis 2005 war er Assistenzdirigent beim Orchestre national de Montpellier und an der Opéra national de Montpellier. 2005 bis 2016 dirigierte er das Nationale Symphonieorchesters der RAI, zunächst als Gastdirigent, ab 2009 als Chefdirigent. 2016 wurde er Musikdirektor des Teatro di San Carlo. Mehrfach dirigierte er als Gast das Konzerthausorchesters Berlin und das Houston Symphony Orchestra und viele weitere Orchester. 2018 wurde er mit dem Premio Abbiati ausgezeichnet. Ab der Saison 2022-23 wird er Musikdirektor des Houston Symphony Orchestra.
Valčuha hat seinen Wohnsitz in Frankreich.


Truls Mørk

Solist: Truls Mørk

Der norwegische Cellist wurde 1961 in Bergen geboren. Ersten Unterricht erhielt er von seinen Eltern. Ab 1978 studierte er bei Frans Helmerson am Edsberg Musikinstitut, später bei der russischen Cellistin Natalia Šachovskaja. 1982 gewann den sechsten Preis des Čajkovskij-Wettbewerbs in Moskau, 1986 den zweiten Preis beim Naumburg-Wettbewerb in New York City und 1986 den Cassado-Cello-Wettbewerb in Florenz. 1989 unternahm er seine erste große Konzerttournee in Europa, eine weitere 1994 mit den Osloer Philharmonikern durch die Vereinigten Staaten. Durch einen Zeckenbiss erkrankte Mørk 2009 an einer Infektion des zentralen Nervensystems mit anschließender Enzephalitis und Lähmung der Schultermuskeln des linken Arms. Nach einer 18-monatigen Pause von der Konzerttätigkeit konnte er seine Karriere wieder aufnehmen. Mørk hat eine Professur an der Norwegischen Musikakademie in Oslo inne.