Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 28. Februar 2018


Robert Schumann: Phantasie für Violine und Orchester

Robert Schumann
Robert Schumann (* 1810 in Zwickau, † 1856 in Endenich bei Bonn)

Die biographischen Stationen Robert Schumanns waren verbunden mit der konzentrierten kompositorischen Befassung mit verschiedenen Musikgattungen und -besetzungen. Zwischen 1830 und 1840 komponierte er überwiegend Klaviermusik. Mit seiner nach langen Auseinandersetzungen schließlich gerichtlich durchgesetzten Heirat mit Clara Wieck 1840 wandte sich Schumann der Produktion von Liedern und Vokalmusik zu. Bis Anfang 1841 entstanden etwa die Hälfte aller Schumannschen Lieder und Chorwerke. Ende 1840 begann zugleich seine Befassung mit sinfonischem Komponieren. Im Frühjahr 1842 wandte er sich der Kammermusik zu, schließlich 1844-48 der Oper, bzw. den literarisch motivierten Werken, Der Corsar (Fragment), Genoveva, Manfred und Scenen aus Göthes Faust, die als Oper geplant waren.
 Nach vergeblichen Hoffnungen auf eine Stelle als Gewandhauskapellmeister in Leipzig oder als Hofopernkapellmeister in Dresden nahm Schumann 1850 das Angebot von Ferdinand Hiller an, als städtischer Musikdirektor nach Düsseldorf zu wechseln – seine erste und einzige feste Anstellung als professioneller Musiker. Hier erschloss er sich Oratorien-Kompositionen, Ouvertüren und das Solo-Konzert. 1853 engagierte er den 22jährigen Geiger Joseph Joachim, den er bereits 10 Jahre zuvor als Studenten in Leipzig kennengelernt hatte, für das Niederrheinische Musikfest. Aus dieser Bekanntschaft ergab sich auch die wichtige Begegnung mit dem 20jährigen Brahms, die sich in einem letzten Schaffensschub niederschlug. So entstanden im Herbst 1853 zunächst die Phantasie op. 131, die am 27. Oktober in Düsseldorf uraufgeführt wurde, und das Violinkonzert d-Moll, welches bis 1937 unaufgeführt blieb, da Joachim es für Schumanns „vielen herrlichen Schöpfungen nicht ebenbürtig“ hielt.



Phantasie a-Moll / C-Dur für Violine und Orchester op. 131 (1853)

Orchesterbesetzung: Solo-Violine – 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagott – 2 Hörner, 2 Trompeten – Pauken – Streicher (12 10-8-6-4)
1 Satz: Im mäßigen Tempo – Lebhaft
Spieldauer: ca. 15 Min.

Im August 1853 hatte Joseph Joachim Beethovens Violinkonzert unter Schumanns Leitung gespielt und ihn anschließend gebeten, ihm etwas Ähnliches zu schreiben: „Möchte doch Beethoven’s Beispiel Sie anregen, den armen Violinspielern, denen es, ausser der Kammermusik, so sehr an Erhebendem für ihr Instrument fehlt, aus Ihrem tiefen Schacht ein Werk an’s Licht zu ziehen …“ Darauf komponierte Schumann die Phantasie für Violine und Orchester op. 131, fertigte eine Transkription seines Cellokonzertes op. 129 für Violine, und schrieb das Violinkonzert in d-Moll sowie die dritte Violinsonate. Diese letzte war aus einer Sonate entwickelt, die er, Albert Dietrich und Brahms auf Joachims Motto F.A.E. – „Frei aber einsam“ – komponiert hatten. Joachim spielte die Phantasie Ende September im Hause Schumann mit Klavierbegleitung und mit Orchester wiederum unter Schumanns Leitung im Abonnementskonzert in Düsseldorf, später in Leipzig und Hannover. Die übrigen Werke wurden erst lange nach Schumanns Tod uraufgeführt. Nach der Aufführung der Phantasie in Leipzig wurde sie zu Schumanns „bestem Concertstück“ erklärt.
 Schumann liebte die Form der Phantasie, eine Form, die so typisch für die Romantik mit ihrer Suche nach freieren nicht der Klassik verpflichteten Formen. Sie folgt mehr oder weniger dem Sonatenprinzip. Sie weist nur einen Satz auf mit einer sanft-melancholischen Einleitung in a-Moll, an die im darauf folgenden C-Dur-Allegro wieder erinnert wird – ein thematischer Querverweis, der für Schumanns Kompositionen aus den 1850er Jahren typisch ist. Der Orchestersatz gibt meist vor, womit die Solostimme folgt. Nur die Kadenz, die Schumann – wieder typisch – auskomponiert hat, verwendet ganz eigene melodische Figuren. Sie wirkt im Vergleich zu den Kadenzen des Cellokonzertes op. 129 und dem Concert-Allegro mit Introduction op.134 eher konventionell. Kurz vor der Coda kehrt Schumann die Rollenverteilung zwischen Orchester und Solo-Instrument um: Wie im ersten Satz von Mendelssohns e-Moll-Violinkonzert wandelt sich die ricochet-Figur der Geige zur Begleitung des Orchesters.
 Nach Schumanns Tod wurde die Phantasie im Bewußtsein von Schumanns Ende als „Gemälde von düsterer Färbung“ umgedeutet und sie verschwand nahezu völlig aus dem Repertoire.


Andrés Orozco-Estrada

Leitung: Andrés Orozco-Estrada

1977 in Medellín, Kolumbien geboren. Er begann seine Ausbildung mit Violinunterricht. Als 15jähriger erhielt er den ersten Dirigierunterricht. Von 1997 bis 2003 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Wien, in der Dirigierklasse von Uroš Lajovic, einem Schüler des legendären Hans Swarowsky. 2004 sprang Orozco-Estrada kurzfristig bei einem Festwochen-Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Wiener Musikverein ein. Dieses Konzert, nach dem Orozco-Estrada von der Wiener Presse als „das Wunder von Wien“ gefeiert wurde, führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Orchester, sowie zu Einladungen zahlreicher internationaler Orchester. 2007 wurde er Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Mit der Saison 2014/2015 folgte er Paavo Järvi als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters und wurde Musikdirektor der texanischen Houston Symphony. Ab der Saison 2021/22 wird er Chefdirigent der Wiener Symphoniker als Nachfolger von Philippe Jordan.

Frank-Peter Zimmermann

Violine: Frank-Peter Zimmermann

1965 in Duisburg geboren. Seine Mutter unterrichtete ihn ab einem Alter von 5 Jahren. Sein erstes öffentliches Konzert gab er mit zehn Jahren. Mit elf Jahren gewann er den Wettbewerb Jugend musiziert, er kam im gleichen Jahr an die Folkwangschule in Essen und wurde dort Schüler von Valery Gradow. Bis 1985 studierte er weiter bei Saschko Gawriloff und Herman Krebbers. Sein offizielles Debüt gab er 1981 mit den Berliner Philharmonikern mit Mozarts Violinkonzert KV 216. Er spielte auf Festivals und Konzerten in allen Erdteilen. Seine Einspielungen umfassen alle großen Violinkonzerte der Weltliteratur. Inzwischen gehört Frank Peter Zimmermann zu den bekanntesten deutschen Geigern seiner Generation. Regelmäßige Kammermusikpartner sind die Pianisten Enrico Pace und Christian Zacharias sowie der Cellist Heinrich Schiff. Seit 2007 besteht das Trio Zimmermann mit Antoine Tamestit, Viola, und Christian Poltéra, Violoncello.
Die beiden Kompositionen von Hindemith und Schumann spielt Zimmermann in der ersten Jahreshälfte 2018 in 17 Aufführungen mit 11 verschiedenen Orchestern.