Einführung zu den Konzerten des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 14. und 15. Oktober 2021


Thomas Adés: In Seven Days - Piano Concerto

Thomas Adés
Thomas Adés (* 1971 in London)

Adés studiert an der Guildhall School of Music Klavier bei Paul Berkowitz und Komposition bei Robert Saxten und absolvierte mit der höchsten Auszeichnung das King's College, Cambridge. Als Pianist gewann er 1989 den zweiten Preis bei dem Wettbewerb BBC Young Musicians of the Year und wurde als Komponist und Pianist zuerst 1993 mit der Uraufführung seiner Komposition Still Sorrowing für präpariertes Klavier bekannt. Im gleichen Jahr wurde Adés zum Composer-in-Association für das Hallé-Orchester ernannt, für das er 1994 The Origin of the Harp komponierte. Ein Auftrag der London Sinfonietta, Living Toys, brachte ihn 1994 während des Paris Rostrum in die erste Reihe der britischen Komponisten seiner Generation. Der internationale Erfolg setzte sich fort mit seiner Kammeroper Powder her Face, komponiert für die Cheltenham und Almeida Festivals 1995. Im gleichen Jahr wurde Adés in einem Komponistenporträt beim Aldeburgh Festival vorgestellt, sein erstes BBC Proms Orchesterwerk ...but all shall be well erschien und er erhielt das Fellow Commonership in the Creative Arts at Trinity College, Cambridge. 1998 wurde Adés zum Musikdirektor der Birmingham New Music Group ernannt. 1999 erhielt Adés die Stelle des Direktors des Aldeburgh Festivals.
 Adés fand mit seinem frühreifen Talent, das mit dem von Benjamin Britten verglichen wurde, schon früh Anerkennung. Ein ausgeprägter Sinn für Spiele, wie bei György Ligeti oder György Kurtág, kombiniert er mit vielfältigen Anspielungen auf historische Vorbilder. Das führt zu einer postmodernen Synthese. Und doch gibt sich seine Handschrift bei weitem versöhnlicher, um nicht zu sagen: angepasster. Das Neue, das sich Adés einfallen lässt, lebt von einer spezifischen Eingänglichkeit – das mag den Komponisten für ein Publikum, das sich mit den musikalischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts noch immer schwer tut, zu einem Hoffnungsträger werden lassen. Indes, von den Postmodernen britischer und den Neoromantikern nordamerikanischer Herkunft hebt er sich eindeutig ab.



In Seven Days - Piano Concerto (2008)

Orchesterbesetzung: Solo-Klavier – 3 Flöten (2. auch Piccolo und Altflöte, 3. auch Piccolo), 3 Oboen, 3 Klarinetten, 3 Fagotte (1 auch Kontrafagott) – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, 4 Schlagzeuge – Streicher
Sätze: 1. Chaos – Light – Dark
2. Separation of the waters into sea and sky – Reflection dance
3. Land – Grass – Trees
4. Stars – Sun – Moon
Fugue: 5. Creatures of the Sea and Sky –
6. Creatures of the Land
7. Contemplation
Spieldauer: ca. 35 Min.
Uraufführung: 28. April 2008, London, mit Nicolas Hodges, der London Sinfonietta in der Leitung des Komponisten.

Das Klavierkonzert ist als Videoballett in sieben Sätzen konzipiert, die durchgehend ohne Satzpausen gespielt werden. Es folgt der Schöpfungsgeschichte. Die Komposition ist als eine Reihe von immer kürzer werdenden Variationen aufgebaut, die die zweiteilige Struktur der Geschichte widerspiegeln: Die Tage 1, 2 und 3 werden durch die Tage 4, 5 und 6 ergänzt. In Tag 7 wird das Thema in seiner einfachsten Form dargestellt.
 Ein Fugato der metrisch gleichmäßig gespielten Streicher eröffnet Chaos – Licht – Dunkelheit. Nach und nach kommen Bläser hinzu, die Energie nimmt zu, es dominiert die hohe Lage. Nach etwa der Hälfte des Satzes setzt das Solo-Klavier fast allein ein und führt das wieder hinzutretende Orchester nach und nach in die Tiefe.
 Die Trennung des Wassers in Meer und Himmel beginnt mit einem aprupten Wechsel und zwei gegenläufigen Bewegungen: Das Solo-Klavier ist in höchster Höhe kombiniert mit Glocken- und Schlagzeug-Klängen und führt nach und nach in die Tiefe, während gleichzeitig die vom vorherigen Satz noch präsenten tiefen Bläser in die Höhe steigen. In der Mitte des Satzes tritt eine Beruhigung ein, die erst zum Schluß wieder in eine machtvolle Steigerung geführt ist.
 Eine Klangfläche der tiefen Streicher eröffnet Land – Gras – Bäume. Das Solo-Klavier tritt mit einer über die ganze Klaviatur verteilten einstimmigen und sequenzartig variierten Figur dazu und bleibt dabei über den ganzen Satz. Die Orchesterbegleitung entwickelt sich langsam in die Höhe, dann dominieren die Blechbläser, schließlich die hohen Streicher und Holzbläser. Es führt zu einer Verdichtung, einer Vervielfachung von Orchesterfarben und einer mächtigen Klimax.
Sterne - Sonne - Mond beginnt und endet mit einer dichten Tonwolke in hoher Lage. Klavier und Piccoloflöte dominieren anfangs. In der Mitte des Satzes verringert sich das Tempo und steigert sich die Vielfalt der Orchesterfarben und des Ambitus. Das Klavier beginnt eine langsamere Akkord-Passage, die in die anfängliche Struktur zurückführt.
Geschöpfe des Meeres und des Himmels wird von gedämpften Blechbläsern eröffnet, in die schnell hohe Holzbläser mit schwirrenden Strukturen einsteigen. Mit dem Einsatz der tiefen Streicher beginnt ein sich schnell verdichtendes Fugato, das in ein gewaltiges Crescendo bis zum Schluss des Satzes führt.
 Deutlich beruhigt beginnt Geschöpfe des Landes mit arpeggio-artigen Figuren des Klaviers, einiger hoher Holzbläser und Streicher. Der Satz führt in eine Solo-Kadenz, die zunächst akkordisch mit überlagerten Rhythmen arbeitet und gegen Ende immer leiser und reduzierter verklingt.
 Eine einsame Melodie des Klaviers aus Zweiklängen, aus hoher Lage absteigend, mit Liegeklängen der Streicher begleitet prägt den letzten Satz: Kontemplation. Am Ende bleiben wie aus weiter Ferne milchige Flageolett-Klänge der Streicher. Adés selbst sagt über den Schluss: „Das Ende von In Seven Days ist der Anfang“.
 Tal Rosner hat zu dem Werk eine Video-Perfomance produziert.


Marin Alsop

Leitung: Marin Alsop

wurde 1956 in New York geboren. Sie lernte als Kind Violine und Klavier und entschloss sich früh, Dirigentin zu werden. Sie studierte an der Yale University und an der Juilliard School. Sie studierte bei ihrem Mentor Leonard Bernstein sowie bei Seiji Ozawa und Gustav Meier. 1989 gewann sie sowohl den New Yorker Leopold-Stokowski-Wettbewerb als auch den Koussevitzky-Dirigentenpreis in Tanglewood. Von 2002 bis 2008 war sie Chefdirigentin des Bournemouth Symphony Orchestra, von 2012 bis 2019 Chefdirigentin des São Paulo State Symphony Orchestra. Sie steht seit der Saison 2007/08 dem Baltimore Symphony Orchestra vor und leitet damit als erste Frau ein großes US-amerikanisches Orchester. Ihre Position wurde bis 2021 bestätigt. Seit September 2019 ist sie Chefdirigentin des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien (RSO) und hat damit die Nachfolge von Cornelius Meister angetreten. Seit 2020 ist sie Artist in Residence an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

Víkingur Ólafsson

Klavier: Víkingur Ólafsson

wurde 1984 in Reykjavík geboren. Er begann schon früh unter der Anleitung seiner Mutter, einer Klavierlehrerin, Klavier zu spielen. Er studierte an der Juilliard School in New York bei Jerome Lowenthal und Robert McDonald, außerdem nahm er Unterricht bei Ann Schein. Víkingur trat mit verschiedenen Orchestern in Europa und Amerika auf und gewann zahlreiche Preise für sein Spiel. Er setzt sich für die Förderung zeitgenössischer Musik ein. Sechs Klavierkonzerte und zahlreiche Solo- und Kammerwerke lebender Komponisten wurden vo nihm uraufgeführt. In Reykjavík, Göteborg und London trat er gemeinsam mit Philip Glass und Björk auf, letzteres in der Fernsehsendung Átta raddir. Mit der Deutschen Grammophon hat er einen Exklusivvertrag. Hier spielte er zahlreiche Werke von Johann Sebastian Bach, Claude Debussy, Jean-Philippe Rameau und Philip Glass ein.