Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 11. September 2019


Samuel Barber: Toccata festiva op. 36

Samuel Barber
Samuel Barber (* 1910 in West Chester, Pennsylv.; † 1981 in New York)

Barber begann bereits im Alter von sieben Jahren zu komponieren. Mit neun erklärte er: “I was meant to be a composer, and will be I’m sure. I’ll ask you one more thing. Don’t ask me to try to forget this unpleasant thing and go play football.”
 Er studierte am Curtis Institute of Music in Philadelphia und wurde 1935 Mitglied der American Academy in Rom. 1938 arrangierte er den zweiten Satz seines Streichquartetts in B-Dur für Streichorchester und betitelte es als Adagio for Strings. Arturo Toscanini führte es überaus erfolgreich auf. Auch die Oper Vanessa (1958) nach einem Libretto seines Lebensgefährten, Gian Carlo Menotti, war ein Erfolg. Dieser verfasste auch das Libretto zu der Kurzoper A Hand of Bridge (1959). Die neue Met im Lincoln Center wurde 1966 mit der Uraufführung seiner Oper Antonius und Cleopatra nach Shakespeare eingeweiht. Die Sonate op. 26 (1949) für Klavier schrieb er für Vladimir Horowitz; sie stellt seine einzige Auseinandersetzung mit der Zwölftonmusik dar und weist enorme Schwierigkeiten für den Pianisten auf – vor allem die auf Wunsch von Vladimir Horowitz, der diese Sonate beauftragte und 1949 uraufführte, hinzugefügten Schluss-Fuge über ein mit zahlreichen Intervall-Sprüngen im schnellen Tempo gespicktes Thema.
 Seit 1941 gehört er der American Academy of Arts and Letters, seit 1961 der American Academy of Arts and Sciences an.
 Barber bevorzugte traditionelle Harmonien und Formen, sein Werk ist melodiös und wurde der neoromantischen Periode in der Musik des 20. Jahrhunderts zugerechnet. Keines seiner anderen Werke kam der Popularität des Adagio for Strings nahe.



Toccata festiva op. 36 (1960)

Orchesterbesetzung: Solo-Orgel – 3 Flöten (eine auch Picc.), 3 Oboen (eine auch Englischhorn), 3 Klarinetten (eine auch Bassklarinette), 2 Fagotte – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, 4 Schlagzeuger – Streicher (14-12-10-8-6)
Auftrag: Academy of Music, Philadelphia, für die Einweihung der neuen Orgel.
Spieldauer: ca. 16 Min.
Uraufführung: 30. September 1960, Philadelphia Orchestra; Paul Callaway, Orgel; Eugene Ormandy, Leitung.

Mary Curtis, wohlhabende Tochter eines Pressemagnaten, die 1924 das “Curtis Institute of Music” gegründet hatte, überraschte den Dirigenten Eugen Ormandy auf einer Europatournee mit dem Philadelphia Orchester mit der Nachricht, sie habe die Absicht, eine neue Orgel für den Konzertsaal in Philadelphia zu spenden, unter der Bedingung, dass Samuel Barber für diesen Anlass eine Auftragskomposition schreibt. Barber war zu dieser Zeit der bekannteste Absolvent des Curtis Institutes und neben Aaron Copland der berühmteste amerikanische Komponist.
 Er begann mit der Komposition dieses Stückes für Orgel und Orchester im März 1960 in seinem Haus in New York, und er beendete die Toccata Festiva im späten Mai in München.
 Barber eröffnet seine Toccata festiva mit einer fulminanten Geste aus schnellen Aufschwüngen. Möglicherweise hat Barber sich bei seiner Komposition von Bachs Toccata d-Moll inspirieren lassen, jedenfalls hat die stürmisch auffahrende Geste zu Beginn der Toccata festiva eine gewisse ähnlichkeit. Es folgt ein erstes Hauptthema, das die ganze Komposition bestimmt. Ein zweites sehr gesangliches, melodiöses Thema mit etwas archaischer Harmonik und melancholischer Melodie schließt sich an. Das Orchester führt dieses fort. Ein drittes Thema – von der Orgel allein vorgetragen – basiert auf einem Orgelpunkt mit annähernd regelmäßigen melodiösen Perioden. Auch dieses Thema wird vom Orchester weitergeträumt. Diese ruhige Passage unterbricht die Orgel mit einem heftigen Ausbruch im dreifachen forte. Die Holzbläser tragen ein rufartiges „Vogel“-Motiv vor, die Orgel ergänzt dies durch girlandenartige Läufe, die sich steigern und zu einem stürmischen Höhepunkt werden. Aus diesem tritt eine Variante des Hauptthemas hervor, diesmal zerteilt in ein rhythmisch dichtes Wechselspiel zwischen Orgel und dem Orchester mit Pauken und tiefen Streichern, das sich zunehmend steigert und in einen Zwischenschluss führt. Daran schließt sich ein Orgel-Solo an, das nur auf dem Pedal gespielt wird. Motivisch schließt es an das Haupthema an, das in dem anschließenden Abschnitt mit einsetzendem Orchester sehr beruhigt fortgeführt wird, alle Themen erscheinen nochmals bis eine strahlende Coda das Stück abschließt.
 Die Toccata festiva gehört zu den wenigen modernen Stücken für Orgel und Orchester, die heute gelegentlich in Konzertsälen zu hören sind.


Andrés Orozco-Estrada

Leitung: Andrés Orozco-Estrada

1977 in Medellín, Kolumbien geboren. Er begann seine Ausbildung mit Violinunterricht. Als 15jähriger erhielt er den ersten Dirigierunterricht. Von 1997 bis 2003 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Wien, in der Dirigierklasse von Uroš Lajovic, einem Schüler des legendären Hans Swarowsky. 2004 sprang Orozco-Estrada kurzfristig bei einem Festwochen-Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Wiener Musikverein ein. Dieses Konzert, nach dem Orozco-Estrada von der Wiener Presse als „das Wunder von Wien“ gefeiert wurde, führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Orchester, sowie zu Einladungen zahlreicher internationaler Orchester. 2007 wurde er Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Mit der Saison 2014/2015 folgte er Paavo Järvi als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters und wurde Musikdirektor der texanischen Houston Symphony. Ab der Saison 2021/22 wird er Chefdirigent der Wiener Symphoniker als Nachfolger von Philippe Jordan.

Ivetka Apkalna

Orgel: Ivetka Apkalna

Sie wurde 1976 in Lettland geboren und studierte dort zunächst Klavier und Orgel bei Jāzeps Vītols, danach bis 2000 in London Klavier und bis 2003 in Stuttgart Orgel bei Ludger Lohmann. Ihr Repertoire umfasst Werke von Bach bis zur zeitgenössischen Musik. Sie ist die Titularorganistin der Hamburger Elbphilharmonie.