Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 4. Februar 2021


Béla Bartók: Rhapsodie Nr. 2, für Violine und Orchester

Béla Bartók
Béla Bartók (* (*1881 in Nagyszentmiklós (Groß-Sankt-Nikolaus), Ungarn (heute: Sînnicolau Mare, Rumänien); † 1945 in New York)

Nach einer Grundausbildung durch seine Mutter erhielt Bartók in Bratislava von László Erkel Kompositionsunterricht. An der Musikakademie Budapest war er Klavierschüler von István Thomán und Kompositionsschüler von István Koessler; er entwickelte sich zum Klaviervirtuosen. Seine kompositorische Tätigkeit, die er bereits in Bratislava aufgenommen hatte, intensivierte sich um das Jahr 1905. Er orientierte sich anfänglich an Franz Liszt, doch bald genügte ihm die Dur-Moll-Tonalität nicht mehr. 1907 erhielt er eine Klavierprofessur in Budapest.
 Ab 1905 beginnt er zusammen mit Zoltán Kodály ungarische Volks- und Bauernlieder zu sammeln. Diese Sammeltätigkeit dehnt er bald auf slowakische, rumänische, arabische und türkische Volkslieder aus. Seine großen Erfolge als Pianist und Komponist in Europa und Amerika führen in den zwanziger Jahren zur internationalen Anerkennung. Beeinträchtigungen durch die nationalsozialistische Kulturpolitik und den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs veranlassen ihn 1940 zur Emigration in die USA. Der rasche Verfall seiner Gesundheit und existentielle Sorgen trotz gelegentlicher Konzerte und wissenschaftlicher Tätigkeit an der Columbia und Harvard University überschatten seine letzten Lebensjahre.
 Seine Kompositionen sind in besonderer Weise von der gesammelten Volksmusik des Balkan geprägt. Ihre Schlichtheit und bisweilen raue Direktheit korrespondieren mit Bartóks Abwendung vom romantischen Überschwang. Daneben sah er in der Verwendung diatonischer Tonformeln jenseits des Dur-Moll-Systems, in der Verwendung ungerader Taktarten und der Polyrhythmik einen kreativen Anschub in Richtung eines neuen, eigenen harmonischen Stils. Nie hat die Inspiration durch die Volksmusik oder archaische Tonalitäten bei Bartók zu einem schlichten Folklorismus geführt.



Rhapsodie Nr. 2 für Violine und Orchester (1928)

Orchesterbesetzung: Solo-Violine – 2 Flöten (auch Piccolo), 2 Oboen (auch Englischhorn), 2 Klarinetten (auch Bassklarinette), 2 Fagotte – 2 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Tuba – Pauken, 2 Schlagzeuger, Harfe, Klavier/Celesta (1 Spieler) – Streicher (8-8-6-4-3)
Sätze: 1. „Lassú“ Moderato
2. „Friss“ Allegro moderato
Spieldauer: ca. 11 1/2 Min.
Widmung: Zoltan Székely

Bartók komponierte 1928 zwei Rhapsodien zunächst für Violine und Klavier, die er beide erst später orchestriert hat. Der Geiger Zoltan Székely berichtet, Bartók habe ihm bei einem Treffen ein Überraschung angekündigt. Dann habe er ihm die Manuskripte der beiden Rhapsodien vorgelegt, die niemand sonst zuvor gesehen hatte. „Eine ist für Sie, die andere für Szigeti", sagte Bartók zu ihm. "Sie können sich aussuchen, welche Sie für die Widmung nehmen wollen." Székely wählte die Zweite Rhapsodie.
 Beide Rhapsodien sind ein Beispiel für eine Kompositionsweise, die bäuerliche Musikquellen verwendet, die Bartók so beschreibt, dass er eine bestehende Melodie nimmt und eine Begleitung zusammen mit einleitendem oder abschließendem Material hinzufügt, so dass das neu komponierte Material streng sekundär ist und niemals mit dem Volksmaterial um die Vorherrschaft konkurriert.
 Die Rhapsodie verwendet die gleiche langsam-schnell („lassú“-„friss“) gepaarte Bewegung des populären ungarischen Verbunkos – eine ungarische Tanzgattung, die um 1840 im Csárdás aufging –, die bereits in der früheren Rhapsodie für Klavier von 1904 zu finden ist und zu der er 1938 im ersten Satz von Kontraste zurückkehrte. Der Titel Rhapsodie ist eine Anspielung auf die dramatischen Kontraste zwischen den Sätzen. Bartók gab an, dass jeder der Sätze separat aufgeführt werden kann – nicht nur der schnelle zweite Satz, sondern auch der ernstere langsame Kopfsatz.
 Der eröffnende Lassú-Abschnitt präsentiert drei Themen, die in einer Rondo- oder fünfstimmigen Liedform angeordnet sind: ABACA. Obwohl hauptsächlich in d-Moll, betont der Eröffnungsabschnitt die fünfte Skalenstufe so stark, dass eine Art phrygischer Modus auf A suggeriert wird, und der Satz schließt mit einer Kadenz auf A und der Anweisung Fermata breve, poi attacca (kurz pausieren, dann an den nächsten Satz anschließen). Wie in der Ersten Rhapsodie ist der folgende Friss-Satz eine Kettenform, hier bestehend aus sieben volkstümlichen Themen - sechs siebenbürgischen Zigeunergeigentänzen und einem ruthenischen Tanz (die fünfte Melodie, Uvevanẙi) aus Szeklence im Komitat Máramaros. Diese sieben Tänze sind in dreizehn Abschnitte in verschiedenen schnellen Tempi gegliedert, wodurch der Eindruck einer immerwährenden Exposition entsteht. Der Satz beginnt in G, ist aber hauptsächlich in D verankert (mit prominenter Verwendung der eng verwandten akustischen und lydischen Skalen) und schließt in dieser Tonart ab.
 Bartók scheint mit dem ursprünglichen Schluss, wie er 1929 veröffentlicht wurde, unzufrieden gewesen zu sein und komponierte nicht weniger als sieben Alternativen, von denen er schließlich eine als endgültig veröffentlichte.


Christoph Eschenbach

Leitung am 4. Februar 2021: Christoph Eschenbach

wurde 1940 in Breslau geboren, verlor seine Familie im Krieg und wurde ab 1946 von der Cousine seiner Mutter, der Pianistin Wallydore Eschenbach, aufgenommen und unterrichtet. Er studierte in Köln und Hamburg Klavier und Dirigieren. 1965 begann er eine internationale Karriere als Pianist, ab 1972 als Dirigent. Ab 1979 war er nacheinander Chefdirigent in Ludwigshafen, Zürich, Houston, Chicago, Hamburg, Philadelphia, Paris und Washington. Seit 2003 ist er musikalischer Leiter der Orchesterakademie des Schleswig-Holstein Musik Festivals. Seit 2016 dirigiert er an der Mailänder Scala. Ab der Saison 2019/20 soll er das Konzerthausorchester in Berlin übernehmen.

Stephen Waarts

Violine: Stephen Waarts

Der 1996 in den USA geborene Geiger studierte zunächst bei Li Lin in Kalifornien, später bei Aaron Rosand in Philadelphia, außerdem wurde er in das Perlman Music Programme von Itzhak Perlman aufgenommen.