Einführung zum Video-Livestream des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 10. Februar 2022


Hector Berlioz: Le carnaval romain

Hector Berlioz
Hector Berlioz (* 1803 in La Côte-Saint-André, Département Isère, † 1869 in Paris)

Berlioz wurde von seinem Vater, einem angesehenen Arzt, und seinem Onkel unterrichtet. 1821 begann er ein Medizinstudium, interessierte sich aber immer mehr für die Oper. 1826 wurde er am Conservatoire aufgenommen. Im Dezember 1830 gewann er den Rompreis. Kurz vor seiner Abreise wurde seine Symphonie fantastique uraufgeführt. In Rom war Berlioz nicht gern. Er wanderte viel umher, besuchte Florenz, Neapel, Subiaco; im Sommer 1831 begegnete er Felix Mendelssohn-Bartholdy; schließlich kehrte er im Mai 1832 verfrüht nach Frankreich zurück. Am 9. Dezember dirigierte François-Antoine Habeneck erneut die Symphonie fantastique, nun mit der in Rom komponierten Fortsetzung, dem Monodram Le Mélologue, dem späteren Lélio, ou Le Retour à la vie. Eine Woche später bat er um Aufschub der ebenfalls mit dem Rompreis verbundenen Deutschland-Reise. Dieser wurde ihm gewährt.
 1833 heiratete er die Schauspielerin Harriet Smithson, die er bereits 1827 als Hauptdarstellerin einer englischen Schauspieltruppe bewundert, der er aber erst ein Jahr zuvor persönlich begegnet war. Neben seinen Konzerten, in denen immer wieder neue Kompositionen uraufgeführt wurden, verdiente er sich seinen Lebensunterhalt vor allem als Journalist. Ende der 1830er Jahre galt er als angesehenster Musikkritiker von Paris.
 Gehäufte Erfahrungen mit nicht adäquaten Aufführungen seiner Werke brachten ihn dazu, die Publikation seiner Werke zu verzögern und zunehmend mehr selbst zu dirigieren. Damit begann seine Profilierung zu einem der führenden und gefragtesten Dirigenten seiner Zeit.
 Im September 1838 führte die Opéra seine erste Oper Benvenuto Cellini auf, die aber nach dem Misserfolg dreier Aufführungen wieder vom Spielplan abgesetzt wurde. Damit war ihm die Tür zur Opéra für immer verschlossen.
 Das Jahr 1841 war ein Wendepunkt in seiner Karriere. Zahlreiche Konzertreisen in das europäische Ausland brachten ihm Erfolge, die ihm das Pariser Publikum versagt hatte. Obwohl er immer bitterer seine Situation in Paris beklagte, ließ er nicht davon ab, die Uraufführung fast aller seiner Werke dorthin zu legen. Seine Ehe mit Harriet Smithson war gescheitert, er wurde auf seinen Reisen von der Sängerin Mario Recio begleitet, die er 1854 nach dem Tod von Harriet heiratete.
 Neben zahlreichen Kompositionen – u.a. Le carnaval romain – entstanden in dieser Zeit auch Reiseberichte sowie seine Instrumentationslehre Grand Traité d’instrumentation et d’orchestration modernes, die er dem Preußischen König Friedrich Wilhelm IV. gewidmet hatte. Ende 1847 reiste er erstmals nach London und knüpfte dort eine Verbindung, die über viele Jahre immer wieder zu Dirigaten und Aufführung in der englischen Hauptstadt führte. In der Saison 1855/56 dirigierte er sechs Konzerte der New Philharmonic Society, während Richard Wagner zur gleichen Zeit das Orchester der alten Philharmonic Society dirigierte, eine Begegnung, die beide trotz innerer Distanz mit Respekt voreinander erfüllte.
 In derselben Saison hielt sich Berlioz längere Zeit in Weimar auf. Dort ermutigte ihn die Fürstin Leonilla von Sayn-Wittgenstein, seinen Traum von einer Aeneis-Oper zu verwirklichen. 1858 vollendete Berlioz die Oper Les Troyens (Die Trojaner) nach Vergil, die er aber nie in ihrer Originalgestalt hören sollte. Die Pläne zu ihrer Uraufführung zerschlugen sich nach dem Befehl Napoleons III., Wagners Tannhäuser der Oper Berlioz’ vorzuziehen. Der daraufhin von Berlioz geschriebene infame Verriß der Konzerte Wagners führten zur endgültigen Entfremdung der beiden Musiker gegeneinander.
 Die letzten drei Akte der Oper Les Troyens konnte Berlioz 1863 unter dem Titel Les Troyens à Carthage (Die Trojaner in Karthago) im Théâtre-Lyrique konzertant mit Erfolg aufführen. Das erlaubte ihm, sich nicht nur vom Komponieren, sondern vor allem auch vom Schreiben von Kritiken zurückzuziehen. Seine letzten Jahre, in denen er sowohl den Tod seiner Ehefrau, als auch den seines Sohnes verkraften musste, waren von depressiver Resignation geprägt.



Le carnaval romain – Ouverture caractéristique, Op. 9 (1838)

Orchesterbesetzung: 2 Flöten (1 auch Piccolo), 2 Oboen (1 auch Englischhorn), 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 4 Hörner, 2 Trompeten, 2 Kornette, 3 Posaunen – Pauken, 3 Schlagzeuger – Streicher
Tempi: Allegro assai von fuoco / Andante sostenuto / Allegro vivace
Spieldauer: ca. 9 Min.
Sätze: 1. Lento / Allegro non troppo
 2. Allegretto
 3. Allegro non troppo
Widmung: Prinz Friedrich Franz Xaver von Hechingen-Hohenzollern.
Uraufführung: 3. Febr. 1844 Paris, Salle Herz, Hector Berlioz – Ltg.

Nachdem Berlioz’ Oper Benvenuto Cellini nach dem Leben des berühmten italienischen Renaissance-Bildhauers in Frankreich ein Misserfolg gewesen war, arbeitete er 1838 Themen der Oper zu zwei symphonischen Konzertstücken um. Le Carnaval romain verwendet zwei Themen aus dem ersten Akt und ist eine beispielgebende Anwendung der Prinzipien des im selben Jahr veröffentlichten großen Traktats über moderne Instrumentierung und Orchestrierung.
 Nach einer kurzen rasanten 6/8-Einleitung in A-Dur, die die Stimmung des dritten Teils vorab exponiert, bringt das Andante sostenuto die vom Englischhorn gespielte Kantilene Cellinis ô Térésa, vous que j’aime plus que ma vie, gefolgt von dem subtil orchestrierten Duetts Cellini–Térésa in den Bratschen und den hohen Holzbläsern.
 Der dritte Teil, ein wilder Saltarello, ist ein Springtanz im 6/8-Takt – gelegentlich unterbrochen durch einige 2/4-Takte –, der an das Ende des ersten Aktes der Oper anschließt, wo an den Karneval in Rom erinnert wird. Im Begleitrhythmus des Saltarello wird das Andante-Thema als Kanon der Celli, Bratschen, Fagotte, Flöten, Oboen und Violinen wiederholt.
 In seinen Memoiren erinnerte sich Berlioz, dass es zur Uraufführung nur eine Probe gab, an der die Bläser nicht teilgenommen hatten: „... vor dem Konzert umringten mich die Bläser, erschrocken bei dem Gedanken, ein ihnen unbekanntes Werk öffentlich zu spielen. ‚Haben Sie keine Angst’, sagte ich zu ihnen, ‚die Stimmen sind korrekt abgeschrieben, Sie alle sind talentierte Musiker ... es wird gut gehen.’ Es wurde kein einziger Fehler gemacht. Ich gab dem Allegro die wirbelnde Bewegung der Tänzer jenseits des Tibers; das Publikum rief ‚da capo’ und ... sie wurde das zweite Mal noch besser...“
 Die Ouvertüre wurde als Konzertstück rasch populär und gehört bis heute zu Berlioz’ meistgespielten Werken.


Alain Altinoglu

Leitung: Alain Altinoglu

Der 1975 in Paris geborene Dirigent armenischer Abstammung studierte am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse, an dem er seitdem auch selbst unterrichtet und seit 2014 die Dirigierklasse leitet. 2016 wurde Altinoglu Directeur Musical des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, gerade hat er dort seinen Vertrag bis 2025 verlängert. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent begleitet er seine Ehefrau, die Mezzosopranistin und Liedsängerin Nora Gubisch am Klavier und macht hin und wieder auch Ausflüge in den Bereich von Jazz und Improvisation. Seit 2021 ist er Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters.