Einführung zum Livestream-Konzert des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 28. Januar 2021


Luigi Boccherini: Cellokonzert G-Dur, G 480

Luigi Boccherini
Luigi Boccherini (* 1743 in Lucca; † 1805 in Madrid)

Luigi Boccherini entstammt einer Musikerfamilie aus Lucca, seine musikalische Ausbildung umfasste vor allem Singen und das Cellospiel. Mit 13 Jahren debütierte er als Cello-Solist in seiner Heimatstadt, es folgten zahlreiche Auftritte bei lokalen kirchlichen Gelegenheitsmusiken oder sonstiger Festivitäten. Ab etwa 1758 unternahm er verschiedene Konzertreisen und die eigene kompositorische Produktion nahm zu. Seine Reisen führten ihn nach Genua, London, Paris, wo er sich mit dem Freund und Geiger Filippo Manfredini etwa sechs Monate aufhielt. Anschließend reisten die beiden nach Madrid, wo Boccherini bei der von dem spanischen Thronfolger Karl, Prinz von Asturien protegierten „Compagnia dell'opera Italiana dei Sitios Reales“ ein Engagement fand. 1770 trat Boccherini als „compositore e virtuoso di camera“ in Aranjuez mit einem guten Gehalt in die Dienste des spanischen Infanten, Don Luis. Diese Anstellung beendete 1768 seine Reisetätigkeit und führte noch einmal zu einer Zunahme der kompositorischen Tätigkeit. Boccherini war bereits spezialisiert auf Streicher-Kammermusik, sein Gesamtwerk weist 125 Streichquintette, 91 -quartette und 42 -trios auf. Jetzt erweiterte er die Besetzungen seiner Kompositionen um Bläser, schrieb eine Serie von sechs Sinfonien und zahlreiche Konzerte, vor allem mit Cello als Soloinstrument, aber auch je eines für Cembalo, Flöte und Violine. Eine Reihe seiner Kompositionen wurden relativ bald nach der ersten Aufführung in Paris verlegt, das machte ihn in ganz Europa bekannt.
 1786 ernannte ihn der preußische König Friedrich Wilhelm II. zum Kammerkomponisten und Boccherini füllte diese Funktion – ohne je nach Preußen zu reisen – von Madrid aus 10 Jahr lang aus.
 Bocherini besaß zwei Violoncelli von Stradivari und hat die Technik und Virtuosität des Cellospiels bedeutend weiterentwickelt, so lässt sich etwa der Gebrauch des Daumenaufsatzes nachweisen. Seine Musik verstand er als Ausdruckskunst zur Rührung des Herzens und in diesem Sinn integrierte er vokale Kompositionsweisen in das Instrumentale. Seine Maxime: „Musik soll zum Herzen des Menschen sprechen und dahin strebe ich, soweit ich kann: Musik ohne Affektionen und Leidenschaften ist sinnlos.“
 Einige Schicksalsschläge prägten seine letzten Jahre: Der Tod seiner etwa 25-jährigen Tochter 1796, drei weiterer Töchter 1802 und seiner zweiten Frau 1804 trug zu einem frühen Ende bei.



Cellokonzert G-Dur, G 480 (1770)

Orchesterbesetzung: Solo-Violoncello da spalla – Streicher (8-6-4-3-2) – Continuo mit Cembalo
Sätze: 1. Allegro, 2. Adagio, 3. Allegro
Spieldauer: ca. 19 Min.

Boccherini stellte 1799 ein Werkverzeichnis zusammen, das allerdings unvollständig war: Er nahm nur die Werke auf, die zur Veröffentlichung bestimmt waren. Werke, die nur für den Eigengebrauch oder für einmalige Aufführungen gedacht waren, wie etwa die Vokalwerke vor 1799, bestimmte Orchesterstücke, alle seine Solosonaten und –konzerte, nahm er nicht in dieses Werkverzeichnis auf.
 Das Cellokonzert in G-Dur besteht aus drei Sätzen und - typisch für viele vorklassische Werke – die Orchesterbesetzung weist ausschließlich Streicher auf, keine Blasinstrumente.
 Der erste Satz, mit Allegro bezeichnet, ist in einem Zweiertakt geschrieben. Er ist leicht und elegant mit einer blumigen Melodie, die für das Cello virtuos ausgearbeitet und erweitert wird. Die meiste Zeit wird das obere Register des Cellos verwendet, während die Violinen mit der Melodie harmonisieren (unter Verwendung der gleichen Rhythmen), häufig in Terzen oder Sexten mit dem Cello. Diese Merkmale sorgen für eine einfache Gesamttextur. Am Ende des Satzes gibt es eine Solokadenz.
 Der zweite Satz, Adagio, ist heute eigentlich besser bekannt als der zweite Satz von Boccherinis populärstem Cellokonzert, dem Konzert in B-Dur. Dies ist Friedrich Grützmacher zu verdanken, einem bekannten Cellisten, der in den späten 1800er Jahren den langsamen Satz aus diesem Konzert, zusammen mit Sätzen aus zwei anderen Werken, zu dem zusammensetzte, was als Konzert in B-Dur bekannt ist. Es ist leicht zu erkennen, warum Grützmacher das Adagio des G-Dur-Konzerts wählte: Die ausdrucksstarke und melancholische Melodie lässt das Cello mit einem schönen, vollen Klang erklingen.
 Das Finale ist ein schneller, tänzerischer Satz im Dreiertakt. Wie es für Boccherinis Stil charakteristisch ist, ist die Musik energisch und virtuos, behält aber immer eine Eleganz, die sowohl formal als auch höfisch ist. Die Melodien wechseln zwischen Lyrik und Verspieltheit. Die stark etablierte Tonart G-Dur wandert für einen Moment nach Moll, bevor sie zu einer Quasi-Dur-Reprise und einer kurzen Kadenz zurückkehrt, um das Stück zu beenden. Boccherinis außergewöhnliches Niveau als Cellist spiegelt sich in der schieren technischen Schwierigkeit des Soloparts wider. Der hohe technische Anspruch geht jedoch nie auf Kosten der musikalischen Qualitäten des Stücks. Boccherinis ausdrucksstarke Melodien und lyrische Passagen verbinden sich mit anmutiger Orchestrierung und kunstvollen Solopassagen.


Violoncello da spalla
Zahlreiche Instrumente der Barockzeit sind heute außer Gebrauch. Streichinstrumente in der Größe zwischen der Bratsche und dem Cello waren häufig und firmierten unter den Namen Viola pomposa, Viola da spalla oder Violoncello piccolo – die Bezeichnung, die Joh. Seb. Bach in einigen seiner Kantaten wählte. Die Bezeichnung „da spalla“ bedeutet „über der Schulter“. Die Bach'schen Cello-Suiten und die Konzerte von Boccherini sind sicher nicht mit dem Violoncello da spalla gespielt worden. Das Instrument gibt es mit vier bis sechs Saiten, die fünfsaitige Version von Sergey Malov weist die Stimmung C-G-d-a-e1 auf. Auf → youtube ist eine Einführung von ihm zu finden.


Andrea Marcon

Leitung: Andrea Marcon

Italienischer Organist, Cembalist und Dirigent. Andrea Marcon begann seine musikalische Ausbildung im Alter von sieben Jahren. Er studierte Orgel und Cembalo in Castelfranco Veneto und an der Schola Cantorum Basiliensis. Er widmete sich vor allem der Aufführung barocker Musik. Mit dem Venice Baroque Orchestra führte er zahlreiche barocke Opern auf. 2004 dirigierte er Händels Ariodante und im Februar 2010 richtete er Vivaldis Oper Orlando furioso neu ein und dirigierte beide in der Frankfurter Oper. Seit 1997 unterrichtet Andrea Marcon an der Schola Cantorum Basiliensis Cembalo und wirkt daneben als Gastdozent am Sweelinck Conservatorium in Amsterdam.

Sergej Malov

Violoncello da spalla: Sergej Malov

Der russische Geiger und Bratschist studierte am Mozarteum Salzburg und an der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“ und gewann 1998 den Internationalen Louis Spohr Wettbewerb. Dort entdeckte er das Violoncello da spalla. Neben zahlreichen Werken des Barock für alle drei Instrumente umfasst sein Repertoire auch die wichtigsten klassischen, romantischen und modernen Viola- und Violinkonzerte. Sein Instrumentarium umfasst eine Geige von Ferdinando Gagliano, eine Barockgeige von Dmitry Badiarov, eine Viola von Pietro Gaggini (1958) und ein Violoncello da spalla, speziell für ihn gebaut von Dmitry Badiarov (2011). Seit 2017 ist Sergey Malov Professor für Violine an die Musikhochschule Zürich.

Violoncello da spalla

Zahlreiche Instrumente der Barockzeit sind heute außer Gebrauch. Streichinstrumente in der Größe zwischen der Bratsche und dem Cello waren häufig und firmierten unter den Namen Viola pomposa, Viola da spalla oder Violoncello piccolo – die Bezeichnung, die Joh. Seb. Bach in einigen seiner Kantaten wählte. Die Bezeichnung „da spalla“ bedeutet „über der Schulter“. Die Bach’schen Cello-Suiten und die Konzerte von Boccherini sind sicher nicht mit dem Violoncello da spalla gespielt worden. Das Instrument gibt es mit vier bis sechs Saiten, die fünfsaitige Version von Sergey Malov weist die Stimmung C-G-d-a-e¹ auf. Hier ist eine → Einführung von ihm zu finden.