Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 8. März 2023


Claude Debussy: Prélude à l'après-midi d'un faune

Claude Debussy
Claude Debussy (* 1862 in Saint-Germain-en-Laye; † 1918 in Paris)

Aus seinem Elternhaus erhielt Debussy keine musikalische Prägung oder Anregung. Sein Vater betrieb ein kleines Fayencengeschäft in St.-Germain und übersiedelte dann als Eisenbahnangestellter nach Paris. Claude besuchte nie eine öffentliche Schule. Zwei Jahre Klavierunterricht versetzten ihn in die Lage, 1872 die Aufnahmeprüfung am Conservatoire zu bestehen. Dort studierte bis 1884 zunächst Klavier, später Komposition bei Ernest Guiraud und kurze Zeit auch bei César Franck. Prägender aber waren zwei Jahre eines Engagements bei Nadežda fon Mekk, die ihn zwischen 1880 und 1882 als Reise- und Klavierbegleiter, als Arrangeur und Komponist und als Klavierlehrer für ihre Söhne beschäftigte. 1884 erhielt er den ersten Rompreis und verbrachte die folgenden drei Jahre – keineswegs glücklich – in der Villa Medici in Rom, um dann vorzeitig zurückzukehren.
 Nach seinem Studium war seine Existenz von Geldsorgen und der Überlegung geprägt, wie er genug Härte gewinnen könnte, um „mitten in diesem Basar zum Erfolg“ zu kommen. Ohne feste Anstellung schlug sich Debussy in der folgenden Zeit mit kleineren Kompositionen, mit Zuwendungen von Freunden, Förderern und seinem Verleger Georges Hartmann durch. Nebenbei arbeitete er als Musikkritiker für La Revue blanche; dafür schuf er eine knurrige, wortkarge Kunstfigur „Monsieur Croche antidilettante“ als Gesprächspartner über zeitgenössische Komposition und Komponisten. Intensiv setzte er sich mit Wagner sowie russischer und außereuropäischer Musik auseinander. Die Cinq Poèmes de Baudelaire (1887/89) wurden zu einem Schlüsselwerk, Debussy bildete damit eine eigene Poetik, die ihn in Verbindung zu Stéphane Mallarmé brachte und ihm mit dem Prélude à l’après-midi d’un faune seinen ersten großen Erfolg brachte.



Prélude à l’après-midi d’un faune (1892-94)

Orchesterbesetzung: 3 Flöten, 3 Oboen (eine auch Englischhorn), 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 4 Hörner – Schlagzeug, 2 Harfen – Streicher
Spieldauer: ca. 10 Min.
Uraufführung: 22. Dez. 1894, Société Nationale de Musique in Paris.

Das Gedicht L'après-midi d'un faune von Stéphane Mallarmé beschreibt den Seelenzustand eines Fauns, der im Schatten am Hang des Ätna genüsslich schlummert. Diese träge Seligkeit hat Debussy in seinem Prélude festgehalten. Er kommentierte es so: „Die Musik dieses Prélude ist eine sehr freie Illustration des schönen Gedichts von Mallarmé. Sie möchte das Gedicht kaum zusammenfassen, sondern die verschiedenen Stimmungen andeuten, in deren Mitte sich die Wünsche und Träume des Egipan an diesem heißen Nachmittag bewegen. Müde von der Verfolgung ängstlicher Nymphen und schüchterner Najaden, gibt er sich einem lustvollen Gipfel hin, der vom Traum eines endlich erfüllten Wunsches beseelt ist: dem vollständigen Besitz der gesamten Natur.“
 Weich und wie von Ferne spielt eine Flöte ihre meditative Melodie. Die Glissandi der Harfe werden von langsamen Signalen der Hörner unterbrochen. Die Flöte setzt wieder ein, diesmal über dem leichten Summen der Streicher, die übrigen Holzbläser tragen zur lyrischen Stimmung bei. Die Flöte bleibt beherrschend, dann spielt die Oboe eine lebhaftere Melodie, die von den Violinen übernommen wird. Eine Crescendo-Melodie und ein Diminuendo verbinden sich zu einem höchst merkwürdigen Effekt, der den Übergang zum Mittelteil in Des-Dur vorbereitet, der dann mit einer Steigerung beginnt und zu einem dynamischen Höhepunkt führt, aus dem sich ein Violinsolo entwickelt. Langsamer als zu Beginn nimmt die Flöte den Anfang des Prélude wieder auf. Die Oboe mit den Holzbläsern mischt sich mit den Streichern. Mit einer langsameren Wiederholung des Anfangs erstirbt das Prélude allmählich.
 Pierre Boulez über das Stück: „... ein neues Atmen der musikalischen Kunst, nicht so sehr die Kunst der musikalischen Entwicklung, sondern ihre formale Freiheit, ihr Ausdruck und ihre Technik. [...] So wie die moderne Poesie ihre Wurzeln in einigen Gedichten Baudelaires hat, kann man sagen, dass die moderne Musik mit L'après-midi d'un faune beginnt.“


Alain Altinoglu

Leitung: Alain Altinoglu

Der 1975 in Paris geborene Dirigent armenischer Abstammung studierte am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse, an dem er seitdem auch selbst unterrichtet und seit 2014 die Dirigierklasse leitet. 2016 wurde Altinoglu Directeur Musical des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, gerade hat er dort seinen Vertrag bis 2025 verlängert. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent begleitet er seine Ehefrau, die Mezzosopranistin und Liedsängerin Nora Gubisch am Klavier und macht hin und wieder auch Ausflüge in den Bereich von Jazz und Improvisation. Seit 2021 ist er Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters.