Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 11. September 2019


Joseph Haydn: Symphonie Nr. 84, Es-Dur

Joseph Haydn
Joseph Haydn (* 1732 in Rohrau, Niederösterreich; † 1809 in Wien)

Haydn wird traditionell als „Vater“ der klassischen Sinfonie und des Streichquartetts betrachtet und war Neuerer beim Schreiben von Klaviersonaten und Klaviertrios. Wenngleich andere Komponisten der Frühklassik, wie Carl Philipp Emanuel Bach bei der Klaviersonate und Johann Christian Bach und Leopold Mozart bei der Sinfonie, eine wichtige Rolle spielten, wird Haydns Einfluss doch als vorherrschend eingeschätzt. Haydn entwickelte die Sonatenform von einem einfachen, von der „Sonata bipartita“ her kommenden Formschema zu einer subtilen und flexiblen musikalischen Ausdrucksform. Er erfand auch die Sonaten-Rondoform, die Variationsform mit zwei Themen und er war der erste bedeutende Komponist, der Fuge und kontrapunktische Elemente in die klassische Form einbrachte.
 Dreißig Jahre verbrachte er als Kapellmeister bei der Familie Esterházy, einer der wohlhabendsten und wichtigsten Magnatenfamilien im Königreich Ungarn. Haydns enormes Arbeitspensum umfasste Komposition, Leitung des Orchesters, Spielen von Kammermusik für und mit seinem Patron und das Arrangieren von Opern. In der Saison zwischen Februar und November fielen 100 bis 150 Aufführungen (Dirigate) an. Sein Können erweiterte sich stetig und seine Bekanntheit nahm zu. So schrieb Haydn bald ebenso viel für Veröffentlichungen wie für seinen Arbeitgeber und einige wichtige Werke dieser Periode, wie die Pariser Symphonien (1785–1786) und die ursprüngliche Orchesterversion der Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze (1786), wurden aus dem Ausland in Auftrag gegeben.



Symphonie Nr. 84, Es-Dur (1786)

Orchesterbesetzung: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte – 2 Hörner – Streicher (8-8-6-4-3)
Sätze: 1. Largo – Allegro, 2. Andante, 3. Menuet. Allegretto, 4. Finale. Vivace
Auftrag: Claude-François-Marie Rigoley, für die Pariser Konzertreihe „Concert de la Loge Olympique“
Spieldauer: ca. 25 Min.

Zusammen mit den Symphonien 82 bis 87 gehört auch die 84ste zu den Pariser Symphonien. Hier etabliert Haydn zunehmend eine prominentere Rolle der Holzbläser.
 Der erste Satz beginnt feierlich-ernst mit vier markanten Akkorden, jeweils gefolgt von einer kleinen Figur. Das Allegro beginnt mit dem tänzerischen Hauptthema, das zweite Thema wirkt wie eine verkürzte Variante des ersten, wechselt aber bald ins forte und nach Moll und in das harmonisch entfernte Ges-Dur. Zurück im piano und der Dominante B-Dur folgt eine Synkopen-Passage und die Schlussgruppe mit Dreiklangsbrechungen. Die Durchführung verarbeitet die Themen in der Reihenfolge der Exposition, die Reprise weist nur leichte Veränderungen zur Exposition auf. Jeder der drei Teile wird wiederholt.
 Das Andante ist ein Thema mit drei Variationen. Das Thema beginnt reduziert in den Streichern mit imitierender kanonischer Bassbegleitung. Die erste Variation wechselt nach b-Moll und ins forte mit dem ganzen Orchester. Die zweite Variation ist wieder leise und nur mit den Streichern besetzt, die das Thema figurativ umspielen. Ähnlich auch die dritte Variation, diesmal allerdings mit dem ganzen Orchester. Nach einem Trugschluss auf g-Moll folgt eine Coda, in der die Holzbläser zunächst solistisch, dann von den Streichern im pizzicato begleitet hervortreten. Der Satz endet mit dem viertaktigen Hauptbaustein des Themas.
 Der erste Teil des Menuets steht durchweg im Forte. Fagotte, Hörner und Streicher beginnen in tiefer Lage mit einem Auftaktmotiv mit lombardischem Rhythmus und Tonrepetition sowie einer in Sekundschritten absteigenden Linie. Das ganze Orchester wiederholt dies. Eine piano-Passage bildet einen Mittelteil, bevor das Hauptthema mit einem codaartigen Schluss den Teil abschließt. Das Trio in Es-Dur beginnt mit dem Fagott, das von Streichern begleitet wird. Es weist immer wieder absteigende Linien auf.
 Das liedhafte Hauptthema des Finales wird wie eine kurze Einleitung von Fagotten und Streichern vorgestellt. Dann folgt das Orchester mit einem forte-Block, der in eine lange Passage mit Tremolo-Linien der Violinen übergeht. Düster-geheimnisvolles pianissimo führt zurück zur Dominante und zur „lärmenden“ Schlussgruppe mit Läufen der Violinen und einem auffälligen Unisono-Staccato-Motiv. Wie schon im ersten Satz folgt die Durchführung der Reihenfolge der Themen aus der Exposition. Die Reprise dehnt die anfängliche Fortspinnung des Themas mit Violin-Solo aus und verkürzt den forte-Block. Eine Synkopen-Passage und das Auftakt-Motiv des Themas mündet nach einem Ruhepunkt in den Themenkopf und die „lärmende“ Schlussgruppe, die jedoch gegenüber der Exposition stark verändert und ausgedehnt ist. Exposition sowie Durchführung und Reprise werden einmal wiederholt.


Andrés Orozco-Estrada

Leitung: Andrés Orozco-Estrada

1977 in Medellín, Kolumbien geboren. Er begann seine Ausbildung mit Violinunterricht. Als 15jähriger erhielt er den ersten Dirigierunterricht. Von 1997 bis 2003 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Wien, in der Dirigierklasse von Uroš Lajovic, einem Schüler des legendären Hans Swarowsky. 2004 sprang Orozco-Estrada kurzfristig bei einem Festwochen-Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Wiener Musikverein ein. Dieses Konzert, nach dem Orozco-Estrada von der Wiener Presse als „das Wunder von Wien“ gefeiert wurde, führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Orchester, sowie zu Einladungen zahlreicher internationaler Orchester. 2007 wurde er Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Mit der Saison 2014/2015 folgte er Paavo Järvi als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters und wurde Musikdirektor der texanischen Houston Symphony. Ab der Saison 2021/22 wird er Chefdirigent der Wiener Symphoniker als Nachfolger von Philippe Jordan.