Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 25. März 2021


Felix Mendelssohn-Bartholdy: Die Hebriden, Op. 26

Felix Mendelssohn-Bartholdy
Felix Mendelssohn-Bartholdy (* 1809 in Hamburg; † 1847 in Leipzig)

Felix Mendelssohn-Bartholdy war der Enkel des Philosophen Moses Mendelssohn. Sein Vater Abraham Mendelssohn übersiedelte 1811 nach Drangsalierungen durch Napoleons Besatzungstruppen von Hamburg nach Berlin, wo er sich als Bankier niederließ, mit seiner Familie zum Protestantismus konvertierte und seinem Namen den christlichen Namen Bartholdy hinzufügte. Die umfassende und vielseitige Bildung hatte in der Erziehung von Felix und seiner Schwester, Fanny, einen hohen Stellenwert. Nach frühem Unterricht bei den Eltern besuchte Felix zwei Jahre lang die Erziehungsanstalt Dr. Messow, danach erhielt er vielfältigen Privatunterricht, der Mathematik, Geschichte, alte und neue Sprachen, Zeichnen, sportliche Aktivitäten ebenso einschloss, wie Klavier-, Violin-, Orgel- und Kompositionsunterricht. Als Neunjähriger wirkte er zum ersten Mal als Pianist bei einer Aufführung eines Klaviertrios von Joseph Wölfl öffentlich mit. Da in seinem Vaterhaus jeden Sonntag Konzerte stattfanden, zu denen eine kleine Kapelle engagiert wurde, hatte der junge Musiker die Möglichkeit, seine ersten Kompositionsversuche aufzuführen. Sein Kompositionslehrer, Carl Friedrich Zelter, unterrichtete ihn im Geist der Musiktheorie des 18. Jahrhunderts und – wie Mendelssohn selbst schrieb – „nicht in der Steifheit einzwängender Lehrsätze, sondern in der wahren Freiheit d.h. in der Kenntniß der rechten Gränzen“.
 1829 reiste er zum ersten Mal nach England, von wo sich nach der Aufführung der Ersten Sinfonie und der Ouvertüre zu Ein Sommernachtstraum sein Ruf als Komponist verbreitete. Von London aus unternahm er mit Karl Klingemann eine Reise durch Schottland. 1830 ging er neuerlich auf eine Reise, die ihn nach mehrwöchigem Aufenthalt bei Goethe in Weimar nach Italien, Paris und London führte. Als er 1833 zurückkehrte, wurde ihm die Leitung der rheinischen Musikfeste in Düsseldorf übertragen. Er übernahm auch die Stellung eines Musikdirektors von Düsseldorf, trat sie jedoch im folgenden Jahr an Julius Rietz ab und begab sich nach Leipzig, wo er Kapellmeister der Gewandhauskonzerte wurde. Als erster Berufskapellmeister leitete er das Orchester von einem Podium aus. Seine seltene Dirigierbegabung, seine umfassende musikalische Bildung sowie sein Ruf als schaffender Künstler machten ihn zum Mittelpunkt des Musiklebens in Leipzig und die Stadt selbst zu einem musikalischen Zentrum von weltweiter Bedeutung.
 Nach seinem Tod setzte die antisemitische Ächtung seiner Musik ein, vor allem vorangetrieben durch den Aufsatz Richard Wagners „Das Judentum in der Musik“, in der dem Namen Mendelssohn-Bartholdy nahezu ausnahmslos die Bezeichnung „Sohn eines reichen jüdischen Bankiers“ beigefügt wurde, um ihn zu deklassieren. Dies hielt Wagner allerdings nicht davon ab, die Hebriden-Ouvertüre zu loben und das „Wellenmotiv“ Mendelssohns aus dessen Märchen von der schönen Melusine in seiner Oper Das Rheingold zu adaptieren.


Felix Mendelssohn-Bartholdy
Die Hebriden oder Die Fingalshöhle, Op. 26 (1832)

Orchesterbesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 2 Hörner, 2 Trompeten – Pauken – Streicher (8-6-5-4-3)
Spieldauer: ca. 10 Min.
Uraufführung: 2. Fassung: 14. Mai 1832, London, Thomas Attwood, Ltg.
3. Fassung: 10. Januar 1833, Berlin, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Ltg.

Auf seiner Reise nach Schottland im August 1829 besuchte Mendelssohn die Fingalshöhle auf Staffa, einer kleinen Insel der Inneren Hebriden. Dort fertigte er nebenstehende Zeichnung an. Seine Eindrücke verarbeitete er in einer Konzertouvertüre. Er schrieb in einem Brief: „Um zu verdeutlichen, wie seltsam mir auf den Hebriden zu Muthe geworden ist, fiel mir soeben folgendes bey“ und fügte die ersten 21 Takte an. Die erste Fassung trug den Titel „Die einsame Insel“, sie war Ende 1930 in Paris abgeschlossen, wurde aber nie aufgeführt. Er revidierte das Werk 1832 in Rom. Diese Fassung wurde in London aufgeführt. Doch Mendelssohn überarbeitete das Werk erneut. Es steht in h-Moll. Sein Hauptthema, das als Bild des Wellengangs interpretiert wurde, wird gleich am Anfang von Fagott, Bratsche und Cello gespielt und immer weiter variiert. Unterstützt wird es von der an Donnergrollen erinnernden Pauke.
 Der erste Teil weist Ähnlichkeiten mit der Stimmung der Schottischen Sinfonie auf und lässt sich interpretieren als leerer grauer Himmel über dem grenzenlosen Meer, stürmische See während der Überfahrt, eine glückliche Ankunft, eine seltsame Insel und die grandiose Fingalshöhle, um die und in der das Meer tost. Den zweiten Teil bestreitet ein kantables ruhiges Thema. Hier war sogar Richard Wagner begeistert: „Da ist Alles wundervoll geistig geschaut, fein empfunden und mit grösster Kunst wiedergegeben. Die Stelle, wo die Oboen allein durch die anderen Instrumente hindurch klagend wie der Wind über die Wellen des Meeres zur Höhe steigen, ist von ausserordentlicher Schönheit.“ Trompetensignale verkünden Sturm und Unwetter im dritten Teil. Der Schluss ist heiter und tänzerisch, erhebt sich noch einmal zu einer triumphalen Steigerung, bis das Werk überraschend kurz im pianissimo ausklingt.


Andrés Orozco-Estrada

Leitung: Andrés Orozco-Estrada

1977 in Medellín, Kolumbien geboren. Er begann seine Ausbildung mit Violinunterricht. Als 15jähriger erhielt er den ersten Dirigierunterricht. Von 1997 bis 2003 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Wien, in der Dirigierklasse von Uroš Lajovic, einem Schüler des legendären Hans Swarowsky. 2004 sprang Orozco-Estrada kurzfristig bei einem Festwochen-Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Wiener Musikverein ein. Dieses Konzert, nach dem Orozco-Estrada von der Wiener Presse als „das Wunder von Wien“ gefeiert wurde, führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Orchester, sowie zu Einladungen zahlreicher internationaler Orchester. 2007 wurde er Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Mit der Saison 2014/2015 folgte er Paavo Järvi als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters und wurde Musikdirektor der texanischen Houston Symphony. Ab der Saison 2021/22 wird er Chefdirigent der Wiener Symphoniker als Nachfolger von Philippe Jordan.