Einführung zum Konzert des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 12. Oktober 2022


Carl Nielsen: Aladdin - Schauspielmusik (Auszüge)

Carl Nielsen
Carl August Nielsen (* 1865 in Sortelung bei Nørre Lyndelse auf Fünen; † 1931 in Kopenhagen)

Von armen, aber musikalisch aktiven Eltern auf der Insel Fünen großgezogen, zeigte er schon früh seine musikalischen Talente und erlernte Violine und Kornett. Er spielte zunächst in einer Militärkapelle, bevor ihm ein Stipendium den Besuch der Königlich Dänischen Musikakademie in Kopenhagen von 1884 bis 1886 ermöglichte. 1888 – im Alter von 23 Jahren – wurde sein Opus 1, Suite für Streicher, uraufgeführt. Im folgenden Jahr begann Nielsen eine 16-jährige Tätigkeit als zweiter Geiger im Königlich Dänischen Orchester. 1916 erhielt er einen Lehrauftrag an der Königlich Dänischen Akademie, an der er bis zu seinem Tod tätig war.
 Obwohl seine Sinfonien, Konzerte und Chormusik heute international anerkannt sind, waren Nielsens Karriere und sein Privatleben von vielen Schwierigkeiten geprägt, die sich oft in seiner Musik widerspiegeln. Nielsen ist vor allem für seine sechs Sinfonien, sein Bläserquintett und seine Konzerte für Violine, Flöte und Klarinette bekannt. In Dänemark sind seine Oper Maskarade und viele seiner Lieder zu einem festen Bestandteil des nationalen Erbes geworden. Seine frühe Musik wurde von Komponisten wie Brahms und Grieg inspiriert, doch schon bald entwickelte er seinen eigenen Stil, wobei er zunächst mit progressiver Tonalität experimentierte und sich später noch radikaler von den damals üblichen Kompositionsstandards entfernte. Nielsens sechste und letzte Sinfonie, Sinfonia semplice, entstand 1924-25.



Aladdin op. 34 - Suite aus der Schauspielmusik (Sätze 1, 4, 5 und 7) (1918-19)

Orchesterbesetzung: 2 Flöten (beide auch Picc.), 2 Oboen (1 auch Englischhorn), 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, 4 Schlagzeuge - Streicher
Spieldauer: ca. 15 Min.
Sätze: 1. Orientalischer Festmarsch – 2. Aladdin's Traum/Tanz des Morgennebels 3. Hinduistischer Tanz – 4. Chinesischer Tanz – 5. Der Marktplatz in Isphahan – 6. Tanz der Gefangenen – 7. Neger-Tanz
Uraufführung: Februar 1919, Königliches Theater Kopenhagen

Das Werk ist die Begleitmusik zu einer Neuinszenierung von Adam Oehlenschlägers „dramatischem Märchen“. Aus der Schauspielmusik wurden sieben Sätze zu einer Suite zusammengefasst.
 Nielsen komponierte das Werk im Sommer 1918 in Skagen und vollendete sie nach seiner Rückkehr nach Kopenhagen im Januar 1919. Das Werk bereitete ihm große Schwierigkeiten, da der Regisseur Johannes Poulsen den Orchestergraben als verlängerte Bühne genutzt hatte, so dass das Orchester unter einer majestätischen Treppe auf dem Bühnenbild eingeengt war. Als Poulsen bei den Endproben große Teile der Musik herausschnitt und die Reihenfolge der Tänze änderte, verlangte Nielsen, dass sein Name von den Plakaten und aus dem Programmheft gestrichen wurde.
 In die Suite sind vor allem die exotischen Tänze eingegangen, die Nielsens ganzen Erfindungsreichtum zeigen.
 Nielsen selbst dirigierte häufig Auszüge aus Aladdin. Er sollte am 1. Oktober 1931 Auszüge mit dem Radio-Sinfonieorchester dirigieren, als er einen schweren Herzanfall erlitt. Im Krankenhausbett liegend konnte er noch Teile der Aufführung hören, bevor er am nächsten Tag starb.
 Etwas ganz Besonderes ist im 5. Satz – der Marktplatz in Isphahan – zu hören. Hier wird das Volksleben mit Hilfe von vier kleinen Ensembles geschildert, die unkoordiniert nacheinander mit je einem eigenen Stück einsetzen und alle in unterschiedlichen Ton-, Taktarten und Tempi stehen. Nielsen sagte über diesen Satz: „Mein Ziel ist es nicht gewesen, radikale, dissonante Effekte zu erzeugen, sondern mit dem freien Spiel der Töne einen Eindruck vom bunten Leben auf dem Marktplatz zu vermitteln.“


Constantinos Carydis

Leitung: Constantinos Carydis

Der griechische Dirigent und Pianist wurde 1974 in Athen geboren. Er studierte Musiktheorie und Klavier am Nationalen Konservatorium von Athen, danach Dirigieren an der Hochschule für Musik und Theater in München bei Hermann Michael. Als Pianist konzertierte er mit griechischen Orchestern und trat bei Solorecitals und Kammermusikabenden auf. Nach seinem Debüt beim Staatstheater am Gärtnerplatz in München konzentrierte er sich auf seine Dirigentenkarriere. Bald wandte er sich der Oper zu, Engagements an der Staatsoper Stuttgart und ab 2006 an der Wiener Staatsoper folgten. 2016 war er an der Oper Frankfurt mit Bizets Carmen zu hören.
 Der Musikjournalist Karl Harb schrieb über ihn: „Für jedes Stück findet Carydis eine passende, spezifische Klangaura, entwickelt einen Farbenreichtum, der nur entstehen kann, wenn man selbst kleinste Nuancen, Verzierungen, Phrasierungsdetails beachtet und ernst nimmt, mithin ins Innerste der Werke zu hören versteht.“ Carydis dirigiert – wie viele heutige Dirigenten – ohne Taktstock.