Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 11. Februar 2020


Maurice Ravel: Daphnis et Chloé: Suite Nr. 2

Maurice Ravel
Maurice Ravel (* 1875 in Ciboure; † 1937 in Paris)

Nach der fünfmalig vergeblichen Bewerbung um den Rompreis und damit dem enttäuschenden Abschluss seines Kompositionsstudiums begab sich Ravel 1905 auf Einladung von Alfred und Misia Edwards zu einer mehrwöchigen Flussreise auf deren Privatyacht Aimée. Folgt man den brieflichen Berichten Ravels – stellt diese Reise so etwas wie eine ästhetische Findungsphase für ihn dar. Die ferientypische Suspension von Alltagszwängen begünstigte Überlegungen zur weiteren Lebensplanung und die Reflexion der Grundlagen des Komponierens. Seine Eindrücke sind zugleich Elemente seiner Poetik, innere Bilder, die, angeregt durch die ungewohnte Außenwelt – Natur und Technik in gleicher Weise –, Gestalt annehmen und sich wie Antizipationen späterer Kompositionen lesen.
 In seinen Schilderungen, die der Poe-Leser Ravel als Gegenbild zum Rhein-Mythos von Victor Hugo, Richard Wagner und Gustave Doré formuliert, wird die Dramaturgie des plötzlichen Umschlags und der Verwandlung vorgestellt, die seit dem zweiten Satz der Sonatine (komponiert unmittelbar nach der Rückkehr im Aug. 1905) als Kern der Ästhetik des Indirekten zu erkennen ist. Expressivität erscheint unvermittelt, als unvorhersehbarer Effekt von Konstellationen, instabil und flüchtig Ravels Poetik des Indirekten und der „Masken“ steht in der Tradition Charles Baudelaires und Stéphane Mallarmés.



Daphnis et Chloé: Suite Nr. 2 (1912)

Orchesterbesetzung: Picc., 3 Flöten (1 auch Picc.), 4 Oboen (1 auch Englischhorn), 4 Klarinetten (1 auch Bassklarinette), 4 Fagotte (2 auch Kontrafagott) – 6 Hörner, 4 Trompeten, 4 Posaunen (1 auch Bassposaune), Tuba – 2 Schlagzeuger – Streicher (16-14-12-10-08)
Sätze: Lever du jour – Pantomime – Danse générale
Spieldauer: ca. 11 Min.
Uraufführung: 8. Juni 1912, Paris, Ballets Russes, Ltg.: Pierre Monteux.

1909 erhielt Ravel von Sergej Djagilev den Auftrag für das Ballett Daphnis et Chloé. Eine Klavierfassung lag bereits 1910 im Druck vor. Die definitive Partitur wurde erst im April 1912 fertig. Konzeptionelle Differenzen und praktische Probleme mit und zwischen Michel Fokin, Léon Bakst, Vaslav Nijinskij und Djagilev belasteten die Arbeit und beeinträchtigten das szenische Ergebnis ebenso wie die musikalische Ausführung. In Paris 1912 nur zweimal, 1913 dreimal gespielt, war Daphnis ein veritabler Mißerfolg. Dass Daphnis aufgrund dieser widrigen Umstände zunächst wenig Beachtung fand, hat die Zeitgenossen eines wichtigen Schlüssels zu Ravels musikalischer Poetik beraubt. Erst viel später wurde die Musik, die zu den leidenschaftlichsten des Komponisten gehört, als eine der besten Ravels angesehen, mit außergewöhnlich üppigen Harmonien, die für die impressionistische Bewegung in der Musik typisch sind.
 Ravel extrahierte die Musik aus dem Ballett und schuf zwei Orchestersuiten, die mit oder ohne Chor aufgeführt werden können. Die zweite der Suiten, die einen Großteil des letzten Teils des Balletts enthält ist besonders beliebt.
 Der Handlungshintergrund: Das Rauschen der Bäche, tropfender Tau, Vogelgesang, in der Ferne ein Schäfer mit seiner Herde, der Tag bricht an. Daphnis wird von einem Hirten geweckt und sucht Chloé. Er findet sie, sie umarmen sich. Ein alter Schäfer erklärt, dass Pan Chloé vor den Piraten gerettet hat, weil sie ihn an seine geliebte Nymphe Syrinx erinnert hat. Beide mimen die Geschichte von Pan und Syrinx. Chloé spielt die junge Nymphe, die auf der Wiese umherwandert. Daphnis als Pan erscheint und erklärt seine Liebe. Doch sie verschwindet im Schilf. Er sucht sich mehrere Halme zu einer Flöte aus und spielt eine melancholische Melodie. Chloé tanzt zum Spiel seiner Flöte. Der Tanz wird immer lebhafter, und in einem wahnsinnigen Wirbel fällt Chloé in Daphnis' Arme. Mädchen kommen als Bacchantinnen und schlagen Tamburine. Jungen stürmen auf die Bühne und das Ballett endet in einem Bacchanal.


Alain Altinoglu

Leitung: Alain Altinoglu

Der 1975 in Paris geborene Dirigent armenischer Abstammung studierte am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse, an dem er seitdem auch selbst unterrichtet und seit 2014 die Dirigierklasse leitet. 2016 wurde Altinoglu Directeur Musical des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, gerade hat er dort seinen Vertrag bis 2025 verlängert. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent begleitet er seine Ehefrau, die Mezzosopranistin und Liedsängerin Nora Gubisch am Klavier und macht hin und wieder auch Ausflüge in den Bereich von Jazz und Improvisation. Ab 2021 wird er Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters.