Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 26. Februar 2019


Dmitri Šostakovič: Suite aus der Oper „Lady Macbeth von Mzensk“

Dmitri Sostakovic
Dmitrij Dmitrievič Šostakovič (* 1906 in St. Petersburg, † 1975 in Moskau)

Der sensationelle Erfolg seiner 1. Sinfonie in f-Moll 1925 verschaffte Šostakovič im Alter von nur neunzehn Jahren den Abschluss am Konservatorium und weltweite Anerkennung. Šostakovič komponierte Ende der 1920er Jahre seine erste Oper: Nos (Die Nase, nach Nikolai Gogols gleichnamiger Erzählung). Diese Oper, die 1930 in Leningrad uraufgeführt wurde, ist eine Satire auf die russische Bürokratie. Sie enthielt das erste lange Schlagzeugsolo der europäischen Musik und viele Komponisten der Gegenwart wie György Ligeti äußerten sich voller Bewunderung. Nach 16 Aufführungen wurde sie abgesetzt; man warf ihr das Fehlen eines positiven Helden, den Einfluss westeuropäischer Kompositionsmethoden sowie Formalismus vor. Auch sein Ballett Bolt (Der Bolzen) erregte den Ärger der Zensoren. Das groteske Stück über Industriesabotage wurde 1931 abgesetzt. Šostakovič veröffentlichte daraufhin in der Zeitschrift Rabočij i teatr (Arbeiter und Theater) seine Deklaracija objazannostej kompozitora (Deklaration der Pflichten eines Komponisten) als Bekenntnis zur Eigenständigkeit musikalischen Beginnens und gegen die Degradierung der Musik zum klischeehaften Illustrationsmaterial. Zwischen 1930 und 1932 komponierte er seine zweite Oper Ledi Makbet Mcenskogo uezda (Lady Macbeth von Mcensk).
 Das Libretto von Alexander Preis gab der Erzählung von Nikolai Leskow, einem derb-erotischen, kriminalistischen Schauerstück, eine etwas andere Richtung. Von der Lady sollte der Eindruck einer positiven, selbstbewussten Persönlichkeit bleiben. So wurde versucht, an das sowjetische Frauenbild anzuknüpfen.
 Die Oper wurde 1934 nahezu parallel in Leningrad und Moskau uraufgeführt und feierte zwei Jahre lang internationale Erfolge mit Aufführungen in Cleveland, New York, Philadelphia, Stockholm, Prag und Zürich. Das Urteil Stalins nach einer Aufführung im Bolschoi-Theater 1936: „Das ist Wirrwarr und keine Musik!“ und ein darauf folgender Bericht in der Prawda unter dem Titel „Chaos statt Musik“ führte zur Absetzung der Oper.



Suite aus der Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ op.29 (1932),
bearb. von James Conlon (1991)

Orchesterbesetzung: Piccolo-Flöte, 2 Flöten, davon eine auch Piccoloflöte, 2 Oboen, Englischhorn, kleine Klarinette, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott – 4 Hörner, 3 Trompeten, 2 Kornette, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, 5 Schlagzeuger, 2 Harfen, Celesta – Streicher (16-14-12-10-8)
Sätze: I. Im Hof der Ismailovs
II. (Ausschnitt)
III. Gefährliche Spannung
V. Katerina und Sergei 1 (Ausschnitt)
VIII. Katerina und Sergei 2
IX und X. Der Trunkenbold
XI. Anrücken der Polizei
XII. In der Verbannung
Spieldauer: ca. 26 Min.
Uraufführung: 11. Mai 1989 in Washington, USA, Leitung: James Conlon, National Symphony Orchestra

Šostakovič schreibt zu seiner Oper eine extrem konkrete Musik, die jede Geste, jede Handlung, jede Emotion direkt und bewusst plakativ in musikalische Figuren übersetzt. Er arbeitet dabei nicht mit Symbolik, Andeutungen oder Farben im Sinn von Stimmungen, seine Musik erzählt immer ganz konkret. Ob der Beischlaf der Katerina mit Sergej „rammelnd“ illustriert, ob das Erschlaffen des Penis nach dem Orgasmus durch ein fallendes Posaunenglissando angezeigt oder ob das Verröcheln des Gatten Sinowi, der von Katerina und Sergej erwürgt wird, durch die Bassklarinette gemalt wird, Šostakovič geht mit allen verfügbaren Mitteln in die Extreme: was die Dichte der Erzählung, die Geschwindigkeit oder die Dynamik betrifft. Es ist eines der lautesten Stücke und auch gleichzeitig eines mit den leisesten Stellen. Mahler sagte einmal, am ausdrucksvollsten sei es, die Instrumente weit weg von ihrer Komfortzone zu verwenden, also: Instrumente seien dann am spannendsten, wenn sie nicht in der Lage gespielt werden, in der sie am schönsten klingen, sondern am untypischsten. Ob das jetzt das Fagott in hoher Lage ist, wie bei Strawinsky, oder die Flöte in der Tiefe, wie es Mahler immer getan hat. Bei Šostakovič singt der Sopran gegen alle Regeln der akademischen Instrumentierung zwei Oktaven tiefer als die Oboe.
James Conlon – *1950 in New York – ist ein US-amerikanischer Dirigent, der seit 1979 international tätig ist und verschiedene Leitungspositionen, u.a. in Rotterdam, Köln, Paris, Los Angeles, Venedig und seit 2016 in Turin innehatte. In seiner konzertanten Bearbeitung der Šostakovič-Oper übernimmt eine Solo-Oboe die jeweiligen Singstimmen der ausgewählten Teile. Die gesamte Bearbeitung Conlons umfasst etwa 42 Minuten Musik.


Carlos Miguel Prieto

Leitung: Carlos Miguel Prieto

Er entstammt einer spanisch-französischen Familie aus Mexiko-City. Er studierte an den Universitäten von Princeton und Harvard Dirigieren bei Jorge Mester, Enrique Diemecke, Charles Bruck und Michael Jinbo. Er ist der bedeutendste mexikanische Dirigent seiner Generation. Er hat mit Orchestern aller Kontinente gearbeitet und gewann zahlreiche Preise. Er fördert nachdrücklich die lateinamerikanische Musik und hat über 100 Uraufführungen von Werken mexikanischer und amerikanischer Komponisten dirigiert, von denen viele von ihm in Auftrag gegeben wurden. Eine umfangreiche Diskografie bei Naxos und Sony dokumentiert die Breite seiner Tätigkeit.