Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 29. Oktober 2019


Dmitri Šostakovič: Symphonie Nr. 7, C-Dur, Op. 60

Dmitri Šostakovič
Dmitrij Dmitrievič Šostakovič (* 1906 in St. Petersburg, † 1975 in Moskau)

Bis 1932 arbeitete Šostakovič an seiner zweiten Oper, Ledi Makbet Mzenskowo ujesda (Lady Macbeth von Mzensk), ein Werk, das für sehr viel Aufruhr sorgen sollte. Die Uraufführung am 22. Januar 1934 in Leningrad war ein gewaltiger Erfolg. Zwei Tage später fand die zweite in Moskau statt. Zwei Jahre lang, mit fast 200 Aufführungen in Moskau und Leningrad, feierte das Werk einen Erfolg nach dem anderen. Die Popularität und der Ruhm Šostakovičs nahmen zu; er wurde von Kritikern und Publikum gleichermaßen gefeiert.
 Am 28. Januar 1936 erschien in der parteiamtlichen Pravda der redaktionelle Artikel Sumbur vmesto muzyki (Chaos statt Musik), der als parteiamtliche Verurteilung von Šostakovičs Oper Ledi Makbet gesehen wurde und zu sofortiger Absetzung und ihrem fortdauernden Verbot führte. Darin ist die Rede von einer „betont disharmonische[n], chaotische[n Flut von Tönen“, einem „Labyrinth des musikalischen Chaos, das stellenweise Kakophonie wird“. Und – ganz den Forderungen des sozialistischen Realismus nach Parteilichkeit, Volksverbundenheit und wahrhafter und konkreter Darstellung der Wirklichkeit entsprechend – von einer „absichtlich verdrehte[n] Musik“, die „mit der einfachen, allgemeinverständlichen Sprache der Musik nichts mehr gemein hat“, von „linke[r] Zügellosigkeit an Stelle einer natürlichen, menschlichen Musik“, von „kleinbürgerlichen formalistischen Anstrengungen“: „Die Gefahr einer solchen Richtung in der Sowjetmusik liegt klar auf der Hand. Die ‚linke‘ Entartung in der Oper hat den gleichen Ursprung wie die ‚linke‘ Entartung in der Malerei, der Dichtung, der Pädagogik und der Wissenschaft“.
 Diese Beurteilung von Šostakovičs Arbeit stürzte diesen in existenzbedrohliche Not. In den Säuberungen der 1930er Jahre kamen unzählige Intellektuelle um, z.B. die Dichter Isaak Babel‘, Osip Mandel‘štam und Benedikt Livšic, darunter auch viele Freunde Šostakovičs und sein Förderer, der Sowjetmarschall Michail Tuchačevskij, den Stalin als Konkurrenten sah. Der Šostakovič wie Tuchačevskij freundschaftlich verbundene Komponist Nikolaj Žiljaev wurde erschossen und Šostakovičs eigene Familie war betroffen: Der Ehemann seiner Schwester Marija, der Physiker Vsevolod Fredericks, wurde als aristokratischer Abkömmling liquidiert, die Schwester verbannt. Wenn Šostakovič in seiner Siebten „Leningrader“ Symphonie allgemein an Opfer des Krieges dachte und sie der Stadt Leningrad widmete, hatte er gerade auch diese Leningrader Opfer im Blick.
 Immerhin berief man ihn im Frühjahr 1937 als außerordentlichen Professor für Komposition ans Leningrader Konservatorium. Vom 18. April bis 20. Juli komponierte er seine 5. Symphonie. Der befreundete Dirigent Evgenij Mravinskij hatte den Mut, sie am 21. November trotz Verfemung des Komponisten in Leningrad uraufzuführen, und dies wurde zu einem denkwürdigen, alle Beschuldigungen seiner „Volksfeindlichkeit“ widerlegenden Publikumserfolg. Šostakovič kam nun wieder in Gnade, die Fünfte wurde 1938 in Moskau, Tbilissi, Chark‘ov, Rostóv, Archangel‘sk und Chaborovsk aufgeführt; ihre Partitur erhielten Arturo Toscanini, Otto Klemperer und Leopold Stokowski – Aufführungen gab es in New York und Paris. Weitere Werke wurden wieder aufgeführt, etwa sein 1. Streichquartett in Leningrad und seine 2. Suite für Jazzorchester in Moskau.
 Am 23. Mai 1939 wurde Šostakovič zum ordentlichen Professor ernannt. Von April bis November arbeitete er an seiner Sechsten Symphonie; am 24. November schloss er einen Vertrag mit dem Kirov-Theater über eine Neuinstrumentation von Modest Musorgskijs Boris Godunov. Im Sommer 1940 entstand sein Klavierquintett. Es wurde am 23. November vom Komponisten mit dem Beethoven-Quartett in Moskau uraufgeführt und im diplomatischen Kontakt dem Kulturattaché des kriegsverbündeten Deutschen Reiches zur Kenntnis anempfohlen. Neben der 5. Symphonie stand es auch auf dem Programm des Schlußkonzerts der Dekada sovetskoj muzyki (Dekade sowjetischer Musik) in Leningrad am 2. Januar 1941 und erhielt am 16. März den Stalinpreis. Im Spielplan der Leningrader Philharmonie wurde am 31. Mai eine Siebte Symphonie angekündigt.
 Nach einer Reihe von Vorarbeiten begann Šostakovič wenige Tage nach dem Kriegsausbruch am 15. Juli 1941 seine Siebte Symphonie zu komponieren. Die deutsche Heeresgruppe Nord und die spanische Blaue Division belagerten Leningrad 871 Tage lang, vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944. In dieser Zeit veröffentlichte Šostakovič Rundfunkaufrufe gemeinsam mit der Dichterin Ol‘ga Berggol'c im Leningrader Sender und beteiligte sich an der Brandwache am Konservatorium. Am 1. Oktober wurde er mit Frau und Kindern aus dem eingekesselten Leningrad ausgeflogen und zusammen mit Sergej Prokof'ev (auf dem Bild links) und Aram Chatschaturjan (rechts) nach Kuibyšev evakuiert, wo er die Symphonie am 27. Dez. vollendete.
 Sie begründete den Ruhm der sowjetischen Musik weltweit – der Komponist erhielt für sie den Stalinpreis 1. Klasse, was sie nach dem Krieg gleichwohl nicht vor offiziellen Anfeindungen bewahrte.



Symphonie Nr. 7, C-dur op. 60 „Leningrader Symphonie“ (1941-42)

Orchesterbesetzung: 3 Flöten (1. Piccoloflöte, 2. auch Altflöte, 3. auch Piccolo), 2 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten in B und A (1. kleine Klarinette, 3. auch kleine Klarinette), Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuba – Fern-Banda: 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen – Pauken, 6 Schlagzeuger, 2 Harfen, Klavier – Streicher (16/14/12/10/8)
Sätze: 1. Allegretto
2. Moderato (poco Allegretto)
3. Adagio
4. Allegro non troppo
Spieldauer: ca. 75 Min.
Uraufführung: 5. März 1942, Kuibyšev (Samarskaja oblast), Orchester des Bol‘šój-Theaters, Samuil Samosud, Ltg.

Nach Šostakovičs Erster Symphonie, die einen eher aufgeklärten als mystischen Klassizismus mit ironischen und auch stachligen Akzenten atmet, verließ er mit seiner Zweiten und Dritten Symphonie ganz radikal den klassizistischen Boden: In epischem Fortlauf ohne Themenwiederholungen betreten sie das Neuland einer sich nicht mehr nach Themen und deren Durchführung, sondern allein nach Parametern konstituierenden symphonischen Form. Erst mit der lange verbotenen Vierten Symphonie kehrt er zur Satzeinteilung zurück, augenscheinlich unter dem Eindruck der inzwischen entdeckten Symphonik Gustav Mahlers, in die ihn sein Freund Iwan Sollertinskij eingeführt hatte und die für ihn zu einem großen Beispiel wurde und es blieb. Die Rückkehr zur Satzeinteilung, wie die Rückkehr zu thematischen Strukturen, wurden ihm in der Fünften Symphonie, mit Zitaten von Themen Mahlers, Hector Berlioz‘ und Richard Strauss‘ und deutlicher Annäherung an herkömmlichere Symphoniemodelle, nicht nur von seiner sowjetischen Mitwelt als Rückwendung zu „humanistischen Prinzipien“ gutgeschrieben. Wobei Šostakovič hier wie auch später kein Stück von seiner zwölftönigen Melodie- und Tonartflächentechnik aufgab: Die Themen der Fünften Symphonie sind zwölftönig. Šostakovič hatte in Presseerklärungen sein Werk als „Antwort eines sowjetischen Musikers auf berechtigte Kritik“ ausgegeben, und das applaudierende, ihm verbundene Leningrader Publikum befand, er habe gut geantwortet. Diesem Erfolg der Uraufführung ließ sich seitens der Partei wenig entgegensetzen, auch wenn hellhörige Rezipienten wie Aleksandr Fadeev ihre kritischen Untertöne wahrnahmen. Auch im Westen – so in der französischen kommunistischen Humanité – fand man diese vermeintliche „humanistische Umkehr“ des Komponisten von vormaligen experimentellen Positionen begrüßenswert, ohne wahrzunehmen, wie wenig sich die Fünfte in ihrer Faktur von seiner zuvor verbotenen Vierten Symphonie unterschied.

 Als stille Textgrundlage für die kurz nach Kriegsausbruch 1941 in Leningrad begonnene Siebte Symphonie hatte Šostakovič seinem Schüler Solomon Volkov den 79. Psalm Davids genannt, die Klage wider die Zerstörer Jerusalems, in dem es heißt: „Lass […] vor unsern Augen kund werden die Rache des Bluts deiner Knechte, das vergossen ist“.
 Die Siebte ist als eine Fortführung des Kontrastdualismus der Sechsten zu werten: Dort war es der Antagonismus des „Lyrisch-Pathetischen“ und des „Dynamisch-Affektivischen“, hier sollte es die Gegensätzlichkeit des „Tragisch-Heroischen“ und des „Visionär-Überwindenden“ sein, die Inhalt und Form dieser Leningrader Symphonie bestimmten. Unter der extremen Belastung der Belagerung seiner Vaterstadt schrieb Šostakovič den „Leitartikel“ seiner Leningrad-Symphonie in den Wintermonaten 1941 auf 1942 nieder:

„Der erste und gleichzeitig ausgedehnteste Satz hat dramatischen, tragischen Charakter […] Als Requiem soll diese Musik die Trauer unseres Volkes um seine toten Helden zum Ausdruck bringen. Die beiden folgenden Sätze sind als Intermezzo gedacht. Sie bilden eine Bekräftigung des Lebens im Gegensatz zum Kriege […] Der vierte Satz […] ist die direkte Fortsetzung, die logische Folgerung des zweiten und dritten Satzes. Er symbolisiert den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit…“

Ursprünglich sollte die Sinfonie nur aus einem Satz bestehen, dann entschloss sich Šostakovič zum klassischen Aufbau mit vier Sätzen. Er wollte zunächst jedem Satz einen Titel geben: 1. Krieg, 2. Erinnerung, 3. Die Weite der Heimat, 4. Sieg. Von diesem Vorhaben nahm er jedoch wieder Abstand, in die Partiturausgaben wurden sie nicht übernommen.
 Die Orchesterbesetzung der Siebenten Symphonie ist erweitert: Über die Stärke der Sechsten Symphonie hinaus sind jetzt in der Schlagzeuggruppe fünf statt drei Pauken vorgeschrieben, ferner zwei statt einer Harfe und an Stelle der Celesta ein Konzertflügel. Die Heerschar der Streicher soll je bis 20 I. und 18 II. Violinen, 16 Bratschen, 14 Violoncelli und 12 Kontrabässe umfassen. Hinzu tritt eine „für die Aufführung der Symphonie absolut unentbehrliche“ Fern-Banda – so Šostakovič –, bestehend aus 4 Hörnern, 3 Trompeten und 3 Posaunen.

 Der erste Satz formiert sich linear aus mehreren elementaren Schichten zu einer Dreiteiligkeit, die nur mühsam mit den Proportionen des klassischen Sonatenhauptsatzes in Zusammenhang zu bringen wäre. Šostakovič entwickelt zu Beginn ein Thema, das gemeinhin als Spiegel der Vorkriegsidylle und der Phase des friedlichen Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion gedeutet wird. Jedoch brechen in dieses erste Thema immer wieder Störungen und Verzerrungen ein. Dem steht ein zweites Thema gegenüber, das deutlich idyllischer wirkt. An Stelle der Durchführung folgt nun ein zentrales Thema, das Šostakovič bereits 1939 oder 1940 komponiert hatte; dieses Thema wird in einer Art Passacaglia mit elf Variationen durchgeführt. Es wurde und wird als „Invasionsthema“ bezeichnet. Es soll den Einmarsch der faschistischen Truppen in die Sowjetunion symbolisieren. Nach Solomon Volkov hat Šostakovič dieses Thema einst aber auch als „Stalinthema“ bezeichnet. Nach einer Aussage von Šostakovič selbst „bricht (dieses Thema) plötzlich in unser friedliches Leben ein“. Die ganze Passage beginnt überaus reduziert nur mit kleiner Trommel und Streicher-Pizzicati und baut sich mit jeder Variation weiter auf. Durch die Schlichtheit und Monotonie des Themas, die Doppelschläge am Ende eines jeden Motivs und das zurückgehaltene Tempo wirkt dieser Abschnitt überaus penetrant und bedrohlich.
Passagaclia-Thema
 Der Mittelteil wurde mit seiner zum Furioso gesteigerten Variationenkettung über ostinatem Trommelwirbel mit der Satztechnik des Ravelschen Bolero verglichen worden, der aber doch nur das Zwanghafte des Crescendierens und Karikierens, nicht aber das Grauen des Militärmarsches in diesem ersten Satz gemein hat.
 Das Thema erinnert an das „Gewaltthema“ aus Šostakovičs Oper Ledi Makbet. Béla Bartók hat einen Teil des Themas in seinem Konzert für Orchester zitiert, ihm allerdings einen anderen Charakter gegeben.
 An die letzte Variation schließt sich ein neues, erregtes Thema an, das in einem etwas langsameren, doch immer noch lauten und chaotischen Abschnitt ausklingt, der abwechselnd von Blechbläsern und Streichern angeführt wird. Nun folgt ein langsamerer, zweiteiliger Abschnitt mit einem Fagott-Solo und einer beruhigenden Wiederholung des Anfangsthemas in den Streichern. Zum Abschluss des Satzes erklingt das Passacaglia-Thema in einer kurzen Coda ein letztes Mal in der Solotrompete, untermalt vom Schlagzeug.
 Ein Kunstgriff Šostakovičs erschwert die Inanspruchnahme des Werkes durch die stalinistische Propaganda: Auf dem Höhepunkt der Variationen setzt scheinbar eine Gegenkraft ein – dies sollte die Rote Armee symbolisieren –, doch wird dazu nur das Material des Passacaglia-Themas mit seiner Charakteristik aus dem Gewaltmotiv verwendet. Diese fehlende Gegenkraft wurde erst nach dem Krieg, im Rahmen der neuen künstlerischen Dogmen und der erneuten Denunziationen, etwa durch Andrej Ždanov, thematisiert und brachte Šostakovič viel Kritik ein.
 Die beiden Mittelsätze sind vor den Ecksätzen entstanden, sie tragen quasi rückblickenden, lyrischen Charakter.

 Der zweite Satz erinnert teilweise an ein Scherzo. Šostakovič selbst merkte an, dass hier „Humor vorhanden“ sei. Zum Humor bei Šostakovič sei auf den zweiten Satz seiner Dreizehnten Sinfonie hingewiesen, in der vor allem der fehlende Humor einer grausamen Staatsführung thematisiert und Terror und Gewalt gegenübergestellt wird. Auch im zweiten Satz finden sich wieder Motive, die an das Gewaltthema aus Ledi Makbet erinnern. Diese Verarbeitungen lassen in Verbindung mit Šostakovičs ursprünglicher Satzbezeichnung „Erinnerungen“ einige Schlüsse zu: Wiederum begegnet dem Hörer hier die trügerische Idylle einer scheinbar friedlichen Vorkriegszeit, die aber eben durch die Verwendung der Gewaltmotive schon den Terror und die Gewalt des Krieges in sich trug. Das Moderato ist dreiteilig; es breitet im Auf- und Ausklang der Eckteile mit Streichern und solistisch bedachter Oboe samt nachfolgendem Englischhorn und am Ende Bassklarinette gesangliche Züge aus. Der Mittelteil des Satzes – quasi ein Trio – ist ein schriller Walzer durch scherzhafte Kolorierungskünste (Klarinette-Xylophon-Klavier) aufgelockert.

 Der dritte Satz weist eine Choralsatzstruktur auf. Der Eindruck einer Kirchenorgel wird durch die Dominanz von Holzbläsern verstärkt. Dies kann zwei Hinweise beinhalten: Einerseits ist die Wiederaufnahme der Glockensymbolik als bedeutender Teil der russischen Musiktradition Symbol des Volkes und Šostakovič spricht in diesem Zusammenhang von der „Anbetung der landschaftlichen Schönheit“, andererseits sind Anklänge an Strawinskys Psalmensinfonie unverkennbar. Der dritte Satz in der Psalmensinfonie kann so auch durchaus interessant für eine Deutung von Šostakovičs Siebter sein, da auch Strawinsky den Inhalt der Musik, den 150. Psalm, deutlich durch die zurückhaltende Komposition kontrastierte. Lyrische Adagio/Largo-Teile mit Flötengesang und Violinrezitativ zu Beginn und zum Schluss rahmen ein erregteres Moderato risoluto als breit angelegtes Quasi-Trio ein. Mit akkordischen Hörnersynkopen und punktierten Grundrhythmen verwendet Šostakovič ein für ihn typisches Stilmittel: den Zirkusmarsch. Zirkusmärsche, bzw. Grotesken von Militärmärschen, dienten ihm immer als Symbol für eine selbstherrliche Führung. Besonders deutlich wird dies zum Beispiel im fünften Satz der Neunten Sinfonie.
 Über einen ausgedehnten Orgelpunkt auf dem dominantischen G der sordinierten tiefen Streicher und dem Pianissimo-Wirbel der Pauken wird das lapidare C-dur des Allegro non troppo des Finalsatzes erreicht. Marsch-Anklänge aus dem Einleitungssatz der Symphonie und entfesselte Bewegungssteigerungen münden in die fatalistisch strenge Trauer eines sarabandenartigen Moderato, alsbald gefolgt von erneuten Ausbrüchen, bis sich in einer letzten Aufgipfelung die Grundthematik des Einleitungssatzes, kontrapunktiert vom Themenkopf des Finalsatzes, im Fortissimo zum Orchester-Total vereint.

 Der letzte Satz sollte das buchstäbliche Finale einer Kriegssinfonie darstellen, also den Sieg. Tatsächlich scheint es so, als würde Šostakovič das anfänglich einzige Thema immer stärker verdichten. Allerdings tritt an die Stelle des heroischen Sieges ein ebenfalls typisches Stilmittel für die Kompositionen Šostakovičs: eine langsame barocke Form, hier eine Sarabande. Diese barocken Formen tauchen vor allem in den Kriegskompositionen gehäuft auf und sind immer Mittel der Trauer. Šostakovič kontrastiert diese Trauermelodien gerne mit grotesken Formen und stellt so einen direkten Zusammenhang dar. In den Kriegssinfonien, vor allem in der Achten, stehen diese langsamen barocken Formen immer Zirkusmärschen und Ähnlichem gegenüber. Es wird so das Leiden von unzähligen Menschen verdeutlicht, das durch die Zirkusmärsche und Militäranklänge in direktem Zusammenhang mit der brutalen Gewalt durch die Auslöser des Krieges gestellt wird.

 Am 5. März 1942 wurde die Siebte Symphonie vom evakuierten Orchester des Bol'šoj-Theaters in Kujbyšev unter Samuil Samosud, der sich bereits 1930 in Leningrad für die Uraufführung von Šostakovičs sozialkritisch-satirischem Opernerstling Nos (Die Nase), frei nach Gogol, eingesetzt hatte, uraufgeführt. Die Aufführung am 29. März in Moskau wurde vom Rundfunk übertragen und dies führte dazu, dass auch im blockierten, verhungernden Leningrad eine Aufführung angesetzt wurde. Mitglieder des Rundfunkorchesters wurden dazu von der Front zurückgeholt. Die Aufführung kam unter Karl Il'ic Eliasberg am 9. August unter speziellem Feuerschutz zustande. Aufführungen schlossen sich in vielen größeren Städten an: in Taškent, wohin das Leningrader Konservatorium evakuiert worden war, in Novosibirsk, wo sich die Leningrader Philharmonie befand, in Jerewan, Čkalov (Orenburg), Orsk und Baku. Am 19. Juli erfolgte ihre englische Erstaufführung in London mit Sir Henry Wood, nachdem ihre Noten im Mikrofilm per Flug über Persien und Ägypten in den Westen gelangt waren. Der amerikanischen Erstaufführung dieser „Kriegssymphonie“ unter Arturo Toscanini folgten sechzig weitere Aufführungen auf dem amerikanischen Kontinent. Auch Dirigenten wie Leopold Stokowski, Sergej Kusevickij, Artur Rodziński, Dimitri Mitropoulos, Pierre Monteux und Eugene Ormandy nahmen sich ihrer an. In London begeisterte sie George Bernhard Shaw, im New Yorker Exil Béla Bartók.


Klaus Mäkelä

Leitung: Klaus Mäkelä

Er wurde 1996 in Finnland geboren. Er studierte an der Sibelius-Akademie in Helsinki Dirigieren bei Jorma Panula und Violoncello bei Marko Ylönen, Timo Hanhinen und Hannu Kiiski. Mit 21 Jahren dirigierte er bereits sämtliche großen Orchester Finnlands und brillierte vielfach als Cello-Solist. In diesem Jahr assistiert er dem Komponisten, Esa-Pekka Salonen, bei dessen Oper „Ring des Nibelüngen“ an der Finnischen Nationaloper. In Deutschland gastierte er erstmals im August 2017 mit dem MDR-Sinfonieorchester. Kürzlich wurde Klaus Mäkelä zum Ersten Gastdirigenten des Schwedischen Radiosinfonieorchesters berufen. Ab der Saison 2020/21 wird er Chefdirigent des Oslo Philharmonic Orchestra.

Martin Helmchen

Klavier: Martin Helmchen

Er wurde 1982 in Berlin geboren. Mit sechs Jahren erhielt Helmchen ersten Klavierunterricht, ab 1990 bei Corinna Simon. Er studierte in Berlin bei Galina Iwanzowa und ab 2001 in Hannover bei Arie Vardi; weitere Mentoren sind William Grant Naboré sowie Alfred Brendel. Bereits während seines Studiums gewann er zahlreiche Preise und konzertierte mit verschiedenen Orchestern. Sein Schwerpunkt liegt in der Kammermusik, wo er mit Heinrich Schiff und Marie-Elisabeth Hecker musiziert. Weitere Partner sind Gidon Kremer, Christian Tetzlaff, Sharon Kam, Tabea Zimmermann, Juliane Banse, Julia Fischer, Sabine Meyer und Lars Vogt. Seit 2010 ist Martin Helmchen Associate Professor für Kammermusik an der Kronberg Academy. 2019 erhielt er ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom. Martin Helmchen ist mit der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker verheiratet und Vater von drei Töchtern.