Einführung zum Konzert des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 9. Dezember 2022


Richard Strauss: Also sprach Zarathustra, op. 30

Richard Strauss
Richard Strauss (* 1864 in München; † 1949 in Garmisch-Partenkirchen)

Richard Strauss’ Vater, Franz Joseph Strauss war Erster Hornist des Münchener Hoforchesters und Lehrer an der Akademie der Tonkunst in München, seine Mutter, Josepha Pschorr, eine Tochter des Münchner Brauereiunternehmers Georg Pschorr d.Ä., der Richard Strauss nicht unwesentlich unterstützte. Richard zeigte früh eine starke Neigung zur Musik, die vom Vater sehr gefördert wurde. Ab seinem 5. Lebensjahr erhielt er regelmäßigen Klavierunterricht, als Sechsjähriger schrieb er seine ersten Kompositionen, im 10. Jahr begann sein Violin- und Theorieunterricht. Während seiner Gymnasialzeit wurden im Elternhaus seine ersten Kompositionen gespielt. Nach einem Universitätsjahr, in dem er Philosophie und Ästhetik hörte, widmete er sich völlig der Musik. Durch die Vermittlung des Dirigenten Hans von Bülow wurde er 1885 Kapellmeister in Meiningen, wo er selbst seine f-Moll-Sinfonie dirigierte – seine erste in d-Moll war bereits 1884 von Theodore Thomas gegeben worden. Damals begann sein Aufstieg als Komponist und zugleich seine Hinwendung zu Hector Berlioz, Franz Liszt und Richard Wagner. Zwischen 1886 und 1889 dirigierte er an der Oper in München, hierauf bis 1894 an der Hofoper in Weimar und sodann abermals in München als Generalmusikdirektor. Nun entstanden seine ersten Opern; große Reisen als Gastdirigent und seine Verehelichung mit der Hauptinterpretin seiner Lieder, Pauline de Ahna fielen in jene Zeit. Im Jahr 1898 wurde er Erster Hofkapellmeister in Berlin. Neuerlich kam es zu ausgedehnten Konzertreisen als Dirigent eigener und fremder Werke und als Begleiter seiner Frau bei ihren Liederabenden; 1904 führten ihn diese Reisen in die USA. Nachdem er aus dem Verband der Berliner Oper ausgeschieden war, wirkte er von 1919 bis 1924 als Direktor der Staatsoper in Wien. Danach ging er keine berufliche Bindung mehr ein. Er lebte nunmehr abwechselnd in Garmisch und in Wien und wirkte als Komponist und Gastdirigent. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges übersiedelte er in die Schweiz, kehrte 1949 nach Garmisch zurück.



Also sprach Zarathustra, op. 30 (1896)

Orchesterbesetzung: 1 Piccolo-Flöte, 3 Flöten (1 auch Picc.), 4 Oboen (1 auch Englischhorn), 4 Klarinetten (je 1 auch Es-Klarinette und Bassklarinette), 4 Fagotte (1 auch Kontrafagott) – 6 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, 2 Tuben – Pauken, 3 Schlagzeuge, 2 Harfen, Orgel – Streicher
Spieldauer: ca. 30 Min.
Sätze: 1. Einleitung oder Sonnenaufgang – Sehr breit
2. Von den Hinterweltlern – Weniger breit
3. Von der großen Sehnsucht – Bewegter
4. Von den Freuden und Leidenschaften – Bewegt
5. Das Grablied – Etwas ruhiger
6. Von der Wissenschaft – Sehr langsam
7. Der Genesende – Energisch / allmählich etwas bewegter / sehr schnell / ziemlich langsam
8. Das Tanzlied – Zart bewegt / sehr bewegt / sehr lebhaft und schwungvoll / etwas beruhigend / sehr schnell
9. Nachtwandlerlied – Sehr schnell / langsam / immer ruhiger / immer langsamer / noch langsamer.
Uraufführung: 27. Nov. 1896, Museumskonzerte in Frankfurt am Main, Frankfurter Städtisches Orchester, unter Leitung des Komponisten.

Strauss entnahm dem Werk des Philosophen Friedrich Nietzsche die Titel seiner neun Sätze. Diese sind überwiegend mit einander verbunden und haben teilweise lange Übergangsperioden, so dass die jeweiligen Anfänge nicht ganz leicht zu hören sind. Seiner Tondichtung stellte er Nietzsches Kernsatz aus dem Zarathustra voran: „Zu lange hat die Musik geträumt; jetzt wollen wir wachen, Nachtwandler waren wir, Tagwandler wollen wir werden.“
 Am Anfang des ersten Abschnitts steht die Vorrede Zarathustras mit der berühmten Steigerung ausgehend von dem Natur-Motiv (c’-g’-c”), das als Sonnenaufgang gedeutet wird. Dieses Motiv durchzieht das gesamte Stück, mal beherrschend im Vordergrund, mal in die Begleitung eingebaut, mal als einzelnes Motiv, mal in einem kontrapunktischen Stimmengeflecht.
 Die „Hinterweltler“ des folgenden Teils sind in ihrer Welt zwischen Gut und Böse gefangen. Strauss erzeugt eine religiöse Atmosphäre mit vielfach geteilten Streichern und dem kantablen As-Dur-Thema „Credo in unum deum“.
 Die Orgel intoniert ein Magnificat, Harfenakkorde und rasche Läufe des Orchesters sprechen „Von der großen Sehnsucht“.
 Violinen und Posaunen singen „Von den Freuden und Leidenschaften“.
 Das anschließende „Grablied“ nimmt von allen Jugendträumen Abschied.
 „Von den Wissenschaften“ wird durch eine parodistische Fuge charakterisiert.
 „Die Genesenden“ arbeitet erneut auf das Natur-Motiv hin. Seinem lautstarken Erscheinen folgt eine Generalpause. Diese wird als Zusammenbruch Zarathustras aus Überdruss am Menschen gedeutet.
 Mit den Rhythmen des „Tanzlieds“ erscheint ein graziöser Walzer, der lange zwischen C-Dur und H-Dur pendelt. Dieser Satz lässt sich als Rekonvaleszenz Zarathustras verstehen.
 Die zwölf Schläge der Mitternachtsglocke markieren den Beginn des „Nachtwandlerliedes“, das Strauss später in „Das trunkene Lied“ umbenannt hat. Es endet verklärt in H-Dur in höchster Lage. Dagegen setzen die tiefen Streicher wieder das Naturmotiv C-G-c. Die ewige Wiederkehr des Gleichen?


Andrés Orozco-Estrada

Leitung: Andrés Orozco-Estrada

wurde 1977 in Medellín, Kolumbien geboren. Er begann seine Ausbildung mit Violinunterricht. Als 15jähriger erhielt er den ersten Dirigierunterricht. Von 1997 bis 2003 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Wien, in der Dirigierklasse von Uroš Lajovic, einem Schüler des legendären Hans Swarowsky. 2004 sprang Orozco-Estrada kurzfristig bei einem Festwochen-Konzert des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Wiener Musikverein ein. Dieses Konzert, nach dem Orozco-Estrada von der Wiener Presse als „das Wunder von Wien“ gefeiert wurde, führte zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Orchester, sowie zu Einladungen zahlreicher internationaler Orchester. 2007 wurde er Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich. Mit der Saison 2014/2015 folgte er Paavo Järvi als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters und wurde Musikdirektor der texanischen Houston Symphony. Seit Sommer 2021 ist er Chefdirigent der Wiener Symphoniker als Nachfolger von Philippe Jordan.