Einführung zum Video-Livestream des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 10. Februar 2022


Richard Wagner - Vorspiel zu "Die Meistersinger von Nürnberg"

Richard Wagner
Richard Wagner (* 1813 in Leipzig, † 1883 in Venedig)

Nach langen Jahren der Not konnte Wagner nach den Dresdener Erfolgen seines Rienzi und des Fliegenden Holländers im Herbst 1842 und der Ernennung zum Königlich Sächsischen Hofkapellmeister auf Lebenszeit im Januar 1843 endlich auf eine Konsolidierung seiner bürgerlichen Existenz hoffen. Im Mai desselben Jahres beendete er die Dichtung des Tannhäuser und im Sommer entstand mit der Kantate Das Liebesmahl der Apostel sein einziges geistliches Werk, das unverzüglich mit großem Erfolg in der Dresdener Frauenkirche uraufgeführt wurde.
 Im April 1845 vollendete Wagner die Partitur des Tannhäuser und beschäftigte sich in einer fünfwöchigen Sommerkur in Marienbad mit dem Parzival-Epos Wolfram von Eschenbachs, dem anonymen Epos vom Lohengrin sowie mit der Literaturgeschichte von Georg Gottfried Gervinus. Trotz ärztlichen Verbots schrieb er eine umfangreiche Prosaskizze der Meistersinger von Nürnberg und ein Entwurf zum Lohengrin.
 Wagners politische Stellungnahmen zu 1848er-Revolution zwangen ihn zur Flucht und zum Exil in Zürich. In seinen Schriften Die Kunst und die Revolution (1849) und Oper und Drama (1851) legte er seine Auffassung vom musikalischen Drama dar und schuf seinem Kompositorischen Schaffen einen theoretischen Überbau.
 1857 boten ihm Otto und Mathilde Wesendonck an, in das im Garten ihrer herrschaftlichen Villa gelegene Gartenhaus einzuziehen. Ein abgefangener Brief, der Wagners Verhältnis zu Mathilde Wesendonck aufdeckte, beendete diese Episode und gleichzeitig seine Ehe mit Minna Planer, er floh nach Venedig. Reisen nach Luzern, Paris, Karlsruhe, Wien und Wiesbaden-Biebrich schlossen sich an. 1860 konnte er nach seiner Teilamnestierung Deutschland, mit Ausnahme Sachsens, wieder betreten. 1862 erhielt er wieder die volle Amnestie in Deutschland.



Vorspiel zu „Die Meistersinger von Nürnberg“ (1862)

Orchesterbesetzung: 3 Flöten (1 auch Piccolo), 2 Oboe, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba – Pauken, 2 Schlagzeuger, Harfe – Streicher
Spieldauer: ca. 10 ½ Min.
Uraufführung des Vorspiels: 2. Juni 1862, Leipziger Gewandhaus, Hans von Bülow – Ltg.
Uraufführung der Oper: 21. Juni 1868, Königliches Hof- und Nationaltheater, München, Hans von Bülow – Ltg.

Während eines Kuraufenthaltes im Sommer 1845 in Marienbad dachte Wagner erstmals darüber nach, nach seinen vorherigen ernsten Opern eine komische zu komponieren: Die Meistersinger von Nürnberg. Angeregt durch die Lektüre der „Geschichte der deutschen Dichtung“ von Georg Gottfried Gervinius, in der er die Darstellung des genialen Schusters Hans Sachs, „der letzten Erscheinung des künstlerisch produktiven Volksgeistes“, sowie des Meistersangs mit seinen Regeln fand. Er verfasste einen ersten umfangreichen Prosaentwurf der Komödie, der bereits alle drei Akte enthielt und bereits zu diesem Zeitpunkt mit den Versen schloss: „Zerging das heilige römische Reich in Dunst / uns bliebe doch die heil’ge deutsche Kunst.“
 Doch zunächst stellte er den Entwurf zurück, arbeitete bis 1861 nur sporadisch daran. Im November 1861 war Wagner zu Gast bei den Wesendoncks. Auf Anregung Mathilde Wesendoncks beschloss er, die Arbeit an den Meistersingern fortzuführen. Peter Cornelius besorgte ihm aus der Wiener Kaiserlichen Bibliothek das Buch „Von den Meister-Singer Holdseligen Kunst“ von Johann Christian Wagenseil. Diesem Werk entnahm Wagner eine Reihe von Details und Namen für die Oper. Noch im November 1861 vollendete er seinen zweiten Prosaentwurf und kurze Zeit später „in sonderbarer Hast“ einen dritten, der nur noch in Kleinigkeiten von der endgültigen Handlung abwich. Bis Ende Januar 1862 vollendete Wagner die Dichtung und legte dabei bereits erste musikalische Motive fest.
 In Venedig sah er Tizians Gemälde Assunta (Mariae Himmelfahrt) und war davon so beeindruckt, dass er auf der Eisenbahnrückfahrt nach Wien den Hauptteil des Vorspiels konzipierte. Anschließend, im April 1862, begann er mit Orchesterskizzen dafür, das bereits im Juni im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt wurde. Das Vorspiel weist bereits viele Bezüge in die Oper auf, die als Gegenstück zu der nachtschweren, düsteren und chromatischen Oper Tristan und Isolde ein Tagstück in hellem C-Dur ist. Allerdings weisen die beiden Opern große Gemeinsamkeiten auf, die vor allem in der Verwendung der Leitmotivtechnik und einer polyphonen Ausarbeitung besteht, die in anderen Werken Wagners nicht in gleicher Weise zu finden ist. Wie im Tristan kristallisieren sich auch in den Meistersingern Leitmotive in einzelnen Akkorden. Dabei kann man vier Zuordnungen unterscheiden: Der reine Durdreiklang steht für Sphäre der Kunst, der übermäßige Dreiklang für den Handwerker-Künstler, personifiziert in Hans Sachs, der verminderte Septakkord mit großer Septime ist der Liebe, dem Frühling und der Leidenschaft und schließlich der Tristan-Akkord dem entsagenden Künstler zugeordnet.
 Bis 1867 dauerte es bis die gesamte Opernpartitur abgeschlossen wurde. Im Juni 1868 konnte dann nach gewaltigem Proben-Aufwand die Uraufführung der Oper in München stattfinden.


Alain Altinoglu

Leitung: Alain Altinoglu

Der 1975 in Paris geborene Dirigent armenischer Abstammung studierte am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse, an dem er seitdem auch selbst unterrichtet und seit 2014 die Dirigierklasse leitet. 2016 wurde Altinoglu Directeur Musical des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, gerade hat er dort seinen Vertrag bis 2025 verlängert. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent begleitet er seine Ehefrau, die Mezzosopranistin und Liedsängerin Nora Gubisch am Klavier und macht hin und wieder auch Ausflüge in den Bereich von Jazz und Improvisation. Seit 2021 ist er Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters.