Einführung zum Video-Livestream des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 13. Januar 2022


Richard Wagner: Siegfried-Idyll

Cosima und Richard Wagner 1872
Richard Wagner (* 1813 in Leipzig, † 1883 in Venedig)

Wilhelm Richard Wagners Vater, war Stadtgerichtsaktuar, er starb ein knappes halbes Jahr nach dessen Geburt. Richard wuchs in Dresden auf und besuchte 1822 bis 1827 die Kreuzschule; 1828 siedelte die Familie nach Leipzig über und er besuchte bis 1830 das Nikolai-Gymnasium. Nach einem halben Jahr an der Thomasschule schrieb er sich an der Universität als Musikstudent ein und erhielt von Theodor Weinling Kompositionsunterricht. Im Jahr 1833 wurde er Korrepetitor am Theater in Würzburg, 1834 Musikdirektor in Magdeburg. Dort lernte er die Schauspielerin Minna Planer kennen, die er 1836 in Königsberg heiratete. Wegen Wagners hoher Schulden flüchtete Minna mit einem Kaufmann namens Dietrich bereits ein halbes Jahr nach der Heirat nach Dresden. Richard reiste ihr nach, doch Minna kehrte erst im Herbst 1837 zu ihm zurück, als Wagner eine Anstellung am Theater in Riga bekommen hatte. Dafür gab sie ihre Bühnenlaufbahn auf. Schon im März 1839 verlor Wagner die Stellung in Riga und floh – immer noch hoch verschuldet – ohne Pässe mit Minna zunächst nach Königsberg. Bei einem Unfall erlitt Minna eine Fehlgeburt und konnte seitdem keine Kinder mehr bekommen. Von Königsberg ging es weiter mit einem Kleinsegler nach London – Inspiration für Wagners vierte Oper, Der fliegende Holländer – und weiter nach Paris.
 1842 kehrte er nach Dresden zurück, wo er Rienzi und den Holländer mit großem Erfolg aufführte, zum Hofkapellmeister der Dresdner Oper auf Lebenszeit ernannt wurde und Tannhäuser und Lohengrin komponierte.
 Aufgrund seiner Stellungnahmen zu der Revolution von 1848 wurde er steckbrieflich gesucht. Dies zwang ihn 1849 zu einer Flucht nach Zürich. Auf Einladung der Familie Laussot reiste Wagner im März 1950 nach Bordeaux, verliebte sich in die unglücklich verheiratete Tochter Jessie. Ein abenteuerlicher Fluchtplan mit ihr scheiterte und Wagner entging nur knapp einer Duellforderung des gehörnten Ehemanns.
 Im Mai 1951 entstand der Prosaentwurf zu Der junge Siegfried und Wagner notierte erste musikalische Themen zum Ring. Im Herbst beschloss er mit der Erweiterung des Siegfried-Dramas zur Ring-Tetralogie durch die beiden Teile Das Rheingold und Die Walküre dessen Einbettung in die nordische Mythologie.
 Anfang 1853 dirigierte Wagner in Zürich drei Beethoven-Konzerte und lernte dabei den reichen Kaufmann Otto Wesendonk kennen. Dieser bot den Wagners ein Nebengebäude seiner Villa als „Asyl“ an und unterstützte ihn finanziell. Während Wagner hier die Komposition seiner Treubruchsoper Tristan und Isolde aufnahm, begann er mit der jungen Wesendonk-Gattin, Mathilde, ein Liebesverhältnis. 1857 lernte er die frisch mit dem Pianisten und Dirigenten Hans von Bülow verheiratete Liszt-Tochter Cosima kennen, mit der sich ein weiteres Liebesverhältnis anbahnte. Die Sache flog durch einen von Minna abgefangenen Liebesbrief ein Jahr später auf und Wagner musste aus dem Asyl nach Venedig fliehen. Die folgenden Jahre sind von Enttäuschungen, Misserfolgen, Rückschlägen finanziellen Katastrophen und ruhelosem Umherirren geprägt.
 Wie durch ein Wunder wurde Wagner 1864 durch den bayerischen König, Ludwig II., gerettet, der sich ihm als Mäzen zur Verfügung stellte und ihm in Starnberg ein Domizil bot. Hier erneuerte er die Beziehung zu der weiter mit Hans von Bülow verheirateten Cosima. Im Frühjahr 1865, am Tag der Geburt von Isolde, der gemeinsamen Tochter von Richard und Cosima, leitete Hans von Bülow, der von Richards Vaterschaft nichts ahnte, die erste Probe zur Uraufführung von Tristan und Isolde. Noch im selben Jahr musste er wegen seiner ungeklärten ehelichen Verhältnisse Bayern verlassen. Er ließ sich – weiter von König Ludwig II. gefördert – im Landhaus Tribschen am Luzerner See nieder. Fast 2 Jahre pendelte Cosima unter peinlichen Umständen zwischen ihren beiden Männern hin und her, gebar ein weiteres Kind – Eva –, dessen Vater Wagner war. Erst im Herbst 1867 – nach dem Tod von Minna – zog sie samt ihren 4 Töchtern ganz nach Tribschen und gebar im Sommer 1869 – Wagner komponierte gerade den Siegfried zu Ende – den ersehnten Stammhalter, der den Namen des Titelhelden dieser Oper erhielt. Kurz darauf wurde Cosima von Hans von Bülow geschieden und konnte Wagner heiraten.



Siegfried-Idyll (1870)

Orchesterbesetzung: 1 Flöte, 1 Oboe, 2 Klarinetten, 1 Fagott – 2 Hörner, 1 Trompete – Streicher
Spieldauer: ca. 24 Min.
Uraufführung: 25. Dez. 1870, auf der Treppe von Wagners Landhaus Tribschen bei Luzern, Mitglieder des Zürcher Tonhalleorchesters

Die symphonische Dichtung war ein Geburtstagsgeschenk für Cosima nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Siegfried. Es wurde zu Cosimas Geburtstag am Weihnachtsmorgen, dem 25. Dezember 1870, von einem kleinen Ensemble des Tonhalle-Orchesters Zürich auf der Treppe ihrer Villa in Tribschen, heute ein Stadtteil von Luzern, uraufgeführt. Cosima erwachte zu der Eröffnungsmelodie. Der Dirigent Hans Richter lernte Trompete, um die kurze Trompetenstimme, die nur 13 Takte dauert, in dieser privaten Aufführung zu spielen, und soll zum Üben auf den Vierwaldstättersee hinausgesegelt sein, um nicht gehört zu werden.
 Der ursprüngliche Titel lautete Tribschener Idyll mit Fidi-Vogelgesang und Orange-Sonnenaufgang, als Symphonischer Geburtstagsgruss. Seiner Cosima dargebracht von Ihrem Richard. „Fidi“ war der Spitzname der Familie für Sohn Siegfried. Der Komposition liegt ein intimes Programm zugrunde, das Wagner dezent für sich behielt, von dem er aber gesagt hat, er könne es bis auf das „und“ aufschreiben.
 Seine Oper Siegfried, an der er bereits seit den 1850er Jahren arbeitete und die erst 1876 uraufgeführt wurde, enthält Musik aus der Idylle. Wagner hat das Material aus einem unvollendeten Kammerstück in die Idylle eingearbeitet, bevor er das Thema in der Schlussszene der Oper, dem Liebesduett „Ewig war ich“ zwischen Brünnhilde und Siegfried, an Brünnhilde weitergab. Dieses Thema, so behauptete Wagner, sei ihm im Sommer 1864 in der Villa Pellet mit Blick auf den Starnberger See eingefallen, wo er und Cosima ihre Verbindung vollzogen hatten. Dem widersprechen jedoch seine eigenen obsessiven Aufzeichnungen: Die Melodie wurde am 14. November komponiert, als er allein in München war. Das Werk verwendet auch ein Thema, das auf dem deutschen Wiegenlied „Schlaf, Kindlein, schlaf“ basiert, das Wagner in der Silvesternacht 1868 notierte und das von einer Solo-Oboe eingeleitet wurde. Ernest Newman entdeckte, dass es mit der älteren Tochter der Wagners, Eva, in Verbindung steht. Diese und andere musikalische Anspielungen, deren Bedeutung der Außenwelt viele Jahre lang unbekannt blieb, zeigen, welche persönliche Bedeutung die Idylle sowohl für Wagner als auch für Cosima hatte.
 Ursprünglich sollte das Siegfried-Idyll ein Privatwerk bleiben, doch aus finanziellen Gründen entschloss sich Wagner 1878, die Partitur an den Verleger B. Schott zu verkaufen. Dabei erweiterte Wagner die Orchesterbesetzung auf 35 Spieler, um das Stück marktfähiger zu machen. Das Originalstück ist für ein kleines Kammerorchester mit dreizehn Spielern besetzt. Heute wird das Stück meist von Orchestern mit mehr als einem Spieler pro Streicherstimme und langsamer als ursprünglich gespielt.


Alain Altinoglu

Leitung: Alain Altinoglu

Der 1975 in Paris geborene Dirigent armenischer Abstammung studierte am Pariser Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse, an dem er seitdem auch selbst unterrichtet und seit 2014 die Dirigierklasse leitet. 2016 wurde Altinoglu Directeur Musical des Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel, gerade hat er dort seinen Vertrag bis 2025 verlängert. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent begleitet er seine Ehefrau, die Mezzosopranistin und Liedsängerin Nora Gubisch am Klavier und macht hin und wieder auch Ausflüge in den Bereich von Jazz und Improvisation. Seit 2021 ist er Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters.