Einführung zur Orchesterprobe des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters des Hessischen Rundfunks am 20. März 2018


William Turner Walton: Bratschenkonzert

William Walton
William Turner Walton (* 1902 in Oldham, Lancashire, † 1983 in Forio, Ischia)

Klavier- und Violinstunden und die Teilnahme als Chorknabe an der Christ Church Cathedral in Oxford waren die ersten musikalischen Begegnungen Waltons. Ab 1914 komponierte er erste Werke, hauptsächlich Chor- und Orgelmusik. Er studierte auch in Oxford, ohne jedoch einen akademischen Grad zu erwerben.
 Ab 1920 lebte er in Chelsea bei den Geschwistern Edith, Osbert und Sacheverell Sitwell, die ihm ein freies Komponieren ermöglichten, wie bald darauf einige andere Gönner. 1923 erschien Façade, ein Werk nach 21 experimentellen Gedichten von Edith Sitwell, mit rhythmisch rezitiertem Text. In seinen Kompositionen der frühen 20er Jahre experimentierte er mit neoklassizistischen Rhythmen und Formen, freitonaler Harmonik sowie Zitattechnik. Doch in der zweiten Hälfte der 20er Jahre nahmen neoromantische Einflüsse in seiner Tonsprache zu, was mit der Komposition seines Violakonzerts 1929 deutlich zu Tage trat und im Laufe der Jahre immer beherrschender wurde.
 Ab 1934 begann Walton, auf Initiative des Regisseurs Paul Czinner, auch als Filmkomponist zu arbeiten, und erhielt nun erstmals geregelte Einkünfte. Mit seiner ersten Sinfonie, die nach langer Entstehungszeit 1935 aufgeführt wurde, und mit dem Krönungsmarsch Crown Imperial zur Inthronisation von König George VI. 1937 konnte er sich als britischer Tonkünstler etablieren. 1939 entstand ein Violinkonzert als Auftragsarbeit für den berühmten Violinisten Jascha Heifetz, dem folgte 1957 ein Auftrag von Gregor Piatigorsky für ein Cellokonzert. Während des zweiten Weltkrieges wurde er als Komponist für patriotische Filme eingesetzt, nachdem er als Ambulanzfahrer für ungeeignet befunden worden war. 1947 wurde ihm als einem der ersten nach dem Zweiten Weltkrieg die Goldmedaille der Royal Philharmonic Society verliehen.
 1948 heiratete Walton die junge Argentinierin Susana Gil und zog mit ihr nach Ischia, wo sie das Anwesen mit dem Park La Mortella schufen, auf dem Walton auch beigesetzt wurde. Dort komponierte er Kammermusik, Orchester-werke und zwei Opern. Gleichzeitig arbeitete er als Dirigent.
 Während Waltons Musik der frühen Jahre von jugendlicher Energie strotzen, leben seine späteren Werke von der Spanne zwischen kontrapunktisch verschränkten, rhythmischen Prozessen und schwermütiger, spätromantisch-tonal gefärbter Melodik und Harmonik. Die meisten seiner Werke sind inzwischen aus dem Konzertkanon fast vollständig verschwunden.
 Größere Bekanntheit erreichte Walton durch seine Krönungsmärsche und seine Film- und Fernsehmusiken, die ihn zum Repräsentativkomponisten Großbritanniens machten. Mit seinen Filmmusiken – etwa Henry V., Hamlet und Richard III., alle mit seinem engen Freund Laurence Olivier in der Hauptrolle – prägte er die Entwicklung der Filmkomposition maßgeblich. Für Filmkomponisten wie Malcolm Henry Arnold oder John Williams war er Vorbild.



Bratschenkonzert (1929, revid. 1961)

Orchesterbesetzung (revid. Fassung): Solo-Bratsche – 2 Flöten (2. auch Piccolo), Oboe, Englischhorn, 2 Klarinetten (2. auch Bassklar.), 2 Fagotte – 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen - Pauken, Harfe – Streicher (14-12-10-08-06)
Sätze: 1. Andante comodo – 2. Vivo, con moto preciso – 3. Allegro moderato
Spieldauer: ca. 27 Min.
Widmung: „To Christabel“ (= Christabel McLaren, Lady Aberconway)
Uraufführung: 3. Oktober 1929, „Prom“ Konzert in der Queen's Hall, Henry Wood Symphony Orchestra, Paul Hindemith, Bratsche, unter der Leitung des Komponisten

Das Bratschenkonzert von William Walton wurde 1929 auf Vorschlag von Thomas Beecham für den Bratschisten Lionel Tertis geschrieben. Doch dieser lehnte das Manuskript als zu modernistisch ab und so spielte Paul Hindemith die Uraufführung. Diese Zusammenarbeit führte zu einer lebenslangen Freundschaft zwischen den beiden Männern. Kurz vor Hindemiths Tod 1963 komponierte Walton Variationen über ein Thema aus Hindemiths Cellokonzert. Nach der Uraufführung revidierte Lionel Tertis seine Meinung und erarbeitete das Konzert ebenfalls und spielte es mehrfach. Weitere Solisten, die das Konzert häufig unter Waltons, aber auch unter Thomas Beechams Leitung spielten, waren Frederick Riddle und William Primrose, Yuri Bashmet, Nobuko Imai, Paul Neubauer, Nigel Kennedy, Maxim Vengerov und Yehudi Menuhin.
 Die Orchestrierung des Konzerts wurde 1961 von Walton überarbeitet, dabei verkleinerte er die Besetzung, reduzierte die tiefen Bässe und fügte eine Harfe ein. Diese Version spielte John Coulling in Begleitung des London Philharmonic Orchestra unter Sir Malcolm Sargent 1962 erstmals.
 Waltons Bratschenkonzert gehört stilistisch ganz der Spätromantik an. Die Revision von 1961 hat dies durch die klanglichen Veränderungen noch vertieft. Wie Prokof‘evs 1. Violinkonzert, das Walton sehr bewunderte und an dem er sich ganz offensichtlich orientierte, entschied er sich für einen langsamen ersten und einen scherzo-artigen zweiten Satz. Das Finale bewegt sich in einem moderaten Allegro-Tempo.


Manfred Honeck

Leitung: Manfred Honeck

Der gebürtige Österreicher ist 1958 geboren und begann seine musikalische Tätigkeit als Bratschist bei den Wiener Philharmonikern und an der Wiener Staatsoper. Nach ersten Dirigiererfahrungen mit dem Jeunesse Musicales Orchestra in Wien sowie als Assistent von Claudio Abbado beim Gustav Mahler Jugendorchester wurde er Kapellmeister am Opernhaus Zürich, später Musikdirektor der Oper in Oslo. Von 2007 bis 2011 war er Generalmusikdirektor an der Staatsoper Stuttgart. Seit 2008/09 Music Director beim Pittsburgh Symphony Orchestra. Anfang des Jahres wurde er von europäischen Fachmedien als „Künstler des Jahres“ gewählt.

Antoine Tamestit

Viola: Antoine Tamestit

Der 1979 geborene französische Bratschist ist 2017/18 „Artist in Residence“ beim hr-Sinfonieorchester. Er war im letzten November im Kammerkonzert mit Schnittke und Telemann und im Februar im Forum N mit Berio zu hören. Er studierte in Paris bei Jean Sulem, an der Yale University bei Jesse Levine und beim Tokyo String Quartet, bevor er sein Studium in Berlin bei Tabea Zimmermann fortsetzte. Seit 2013 lehrte er am Pariser Konservatorium. Seit 2007 gehört er zu dem Streichtrio von Frank Peter Zimmermann, dem Solisten des letzten Sinfoniekonzerts.