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Unschärfe
Musik für Sprecherin oder Sprecher und sieben Instrumente
mit einer Erzählung von Franz Kafka
ca. 7 ½ Min.
komponiert 2024
(Flöte [auch Bassflöte in C und Altflöte in F], Oboe, Klarinette in B [auch Kontrabassklarinette in B und Bassklarinette in B], Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass)
→ Download Partitur pdf 4093 kB
Text
Zerstreutes Hinausschauen
Was werden wir in diesen Frühlingstagen tun, die jetzt rasch kommen? Heute früh war der Himmel grau, geht man aber jetzt zum Fenster, so ist man überrascht und lehnt die Wange an die Klinke des Fensters.
Unten sieht man das Licht der freilich schon sinkenden Sonne auf dem Gesicht des kindlichen Mädchens, das so geht und sich umschaut, und zugleich sieht man den Schatten des Mannes darauf, der hinter ihm rascher kommt.
Dann ist der Mann schon vorübergegangen und das Gesicht des Kindes ist ganz hell.
aus: Franz Kafka, Die Erzählungen, hrsg. v. Roger Hermes,
Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main, 1999, S. 15
Einführung
Kafkas kurze Erzählung enthält eine einfache Beobachtung einer Straßenszene, deren Athmosphäre und Begrifflichkeit dem Leser eine Deutung nahelegt, die gleich wieder aufgehoben wird. Das Gefühl einer aufkommenden Bedrohung und seine Auflösung findet dabei ganz allein in der Einfühlung des Lesers statt. Der Text selbst enthält dafür nur Andeutungen.
Der Text ist in acht Teile zerlegt. Diese alternieren jeweils mit musikalischen Abschnitten. Dabei steht am Anfang und Ende jeweils ein Septett, dazwischen erklingen verschiedene Duo-Formationen.
Die Instrumente spielen jeweils in unterschiedlichen Tempi ohne genaue Koordination, so dass sich der Zusammenklang bei jeder Aufführung leicht unterscheiden wird. Die Instrumental-Stimmen sind aus einzelnen Strukturen von Kafkas Text abgeleitet, ohne dass dies im einzelnen nachvollziehbar wäre. Sie bilden zusammen mit ihren jeweiligen Spielpartnern quasi eine eigene Wirklichkeit jenseits des Textes.
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