entrückhaltlos
Musik für Violine, Violoncello und Klavier

ca. 11 Min.
komponiert 1991, Uraufführung 1998

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→ Video Aufnahme 2004 Dresden
→ elole-Klaviertrio.

Einführung


Die Verdrängung von Andersartigem, seine Beseitigung und Gleichschaltung ist Bestandteil unserer eigenen Kultur. Das war durch den Ausländerpogrom in Hoyerswerda - weniges vor der Komposition von entrückhaltlos - gerade wieder deutlich geworden und das macht mir den Bezugsrahmen der Wahrnehmung, den die eigene Kultur stellt, fragwürdig. In entrückhaltlos habe ich daher danach gesucht, die noch möglichen Bezüge auf die eigene Kultur zu sichten, bzw. solche Sichtung als ästhetischen Weg, als möglicherweise einzig übriggebliebenen Weg der Wahrnehmung einzuschlagen. Ausgangspunkt der Komposition ist ein Tenor, ein zentraler Ton. Zu diesem Tenor bilden sich Distanzen aus. Zunächst als kleine Veränderungen - Verschiebungen der Intonation, tonale Abweichungen, Umspielungen, Klang- und Vibratovariationen - greifen diese Distanzen nach und nach in qualitativ andere Bereiche - übersetzungen in den Bereich der Dynamik, des Tempo bzw. der Rhythmik und in entferntere Geräuschwelten. Die unterschiedlichen Qualitäten der Distanzen entwickeln eine eigene formbildende Kraft, eine Weile speist sich die Entwicklung des Stückes aus der sprunghaften Zunahme dieser Distanzqualitäten. In ihnen hebt sich der zentrale Ton auf, geht gänzlich verloren, es bildet sich ein anderes Zentrum, eine andere zentrale Energie aus, die zum Ende auch in einem zentralen Ton sich wiederfindet. Natürlich bleibt die Frage an die Wahrnehmung, ob dies nun eine andere Art von Zentrum ist, ob der Weg des Stückes das unterwegs erreichte Andersartige mit in die eigene Mitte nimmt und in welchem Maße die Sicht auf die eigene Wahrnehmung diese selbst verändern kann. Dies jedoch sind Fragen, die sich an jeden einzelnen Zuhörer richten und die jeder Zuhörer - ganz unabhängig von meinen Gedanken und Zielvorstellungen bei der Arbeit an entrückhaltlos - für sich selbst beantworten mag.


Aufführungen


Uraufführung:
16. Mai 1998: Lautlinger Schloß Albstadt: → Trio Présence: → Ekkehard Windrich Vl, → Graham Waterhouse Vc und → Michael Wendeberg Klav.

weitere Aufführungen:
24. November 1999: Kulturzentrum Peter-Friedrich-Ludwig Oldenburg, Trio Présence
4. Februar 2001: Cäcilienschule Oldenburg, Eckehard Windrich Vl, Graham Waterhouse Vc, → Thomas Hell Klav.
7. Juli 2004: Dresden, Albert Hall; → elole-Klaviertrio: → Uta-Maria Lempert Vl, → Matthias Lorenz Vc und → Stefan Eder Klav.

Kritik


Nordwest-Zeitung vom 26. November 1999

Präsent im Kampf gegen Dämmerlicht
Das „Trio Presence“ im „oh ton“-Konzert
von → Christiane Maaß

(...) Durch die Einsichtigkeit seines musikalischen Konzepts und der zugrunde liegenden Überlegungen über Verdrängung und Integration von Andersartigem in unserer Kultur überzeugte die Komposition „entrückhaltlos“ von Friedemann Schmidt-Mechau. Die vielfältigen Umspielungen und Erschütterungen eines Zentraltons forderten vom „Trio Présence“ eine ganz eigene Präzision. (...)