|
Einführung
Nach ausgiebigen Vorbereitungen und Studien über die klanglichen Möglichkeiten dieser Duo-Besetzung bereits seit September 1990 habe ich das Stück innerhalb von 6 Tagen nach dem 15. Januar 1991 niedergeschrieben - sicherlich bewegt und geprägt von den Ereignissen um diesen Termin herum.
Der 15. Januar 1991 war der letzte Tag des Ultimatums der USA vor Auslösung des 2. Golfkrieges gegen den Irak. Die Zeit vor dem 15. Januar war geprägt einerseits von einem großen Kriegspropaganda-Medienspektakel und andererseits von massenhaften Demonstrationen und Aktionen auf der ganzen Welt gegen die Auslösung dieses Krieges.
Die Komposition verfolgt eine Ästhetik des isolierten Ereignisses und kultiviert die Pause als ein musikalisches Mittel differenzierten Ausdrucksgehaltes. Miniaturhafte Einzel-Zellen fügen sich zu einer Form, die das Zeitempfinden infrage stellt. Dabei verwende ich eine sehr einfache musikalische Form: A - A‘ - B - A‘‘. Dass beide Instrumente gleichzeitig spielen, kommt relativ selten vor. Stattdessen gibt es häufig Fortsetzungen - ein Instrument beginnt, das andere nimmt
auf und setzt fort. Annähernd jedes musikalische Partikel wird für das andere Instrument übersetzt. Diese Übersetzungen können sehr unterschiedliche Distanzen zwischen den Instrumenten ausbilden - vom fast Identischen bis zum größten Gegensatz. Der 2. Teil (A‘) bildet zu A eine einfache Umkehrung der Instrumente: Alles was in A von der Violine gespielt wurde, wird in A‘ von der Posaune gespielt. In A‘‘ werden die Figuren noch einmal
auf beide Instrumente aufgeteilt, so dass der ganze Teil zu noch kürzerer Aufeinanderfolge führt. Dazwischen stehen gemeinsame Duo-Abschnitte, in denen verschiedene Formen von Vibrati - Lautstärken-Vibrato, Tonhöhen-Vibrato, Klangfarb-Vibrato, instrumental unterschiedliche erzeugte Vibrati (z.B. Lippen- und Zug-Vibrato bei der Posaune), Schwebungen und Vibrati verschiedener Geschwindigkeiten -, sowie perkussive Spielweisen miteinander verbunden werden.
Die einzelnen Ereignisse mit ihren sehr spezifischen Charakteristiken, sowie die daraus erwirkten Erwartungen auf das Kommende bestimmen die emotionalen Eigenarten der jeweils folgenden Pausen: Atempausen, atemlose Pausen, einfache Ruhepausen, ersehnte Ruhepausen, witzige Unterbrechungspausen, schockhafte Unterbrechungspausen, Interpunktionen,
unerwartete Interpunktionen, kalte Betonungspausen, heiße oder geladene Betonungspausen, Spannungspausen, Pausen vor dem Sturm, flache Wartepausen, Nachträumpausen ...
Aufführungen
Uraufführung:
25. Juni 1991: Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, → Ulrich Bösking - Violine und
→ Jan-Peter Sonntag - Posaune
weitere Aufführungen:
6. Oktober 1991: Schloß Münster, s.o.
2. Dezember 1992: Cäcilienschule Oldenburg, s.o.
Produktion:
14. Januar 1993: bei Radio Bremen; s.o.
Rundfunksendung:
5. Juli 1993: Radio Bremen 2
27. Oktober 1993: Radio Bremen 2
Kritik
Nordwest-Zeitung vom 4. Dez. 1992, zum Konzert vom 2. Dezember 1992
Ein Konzert mit aktueller Musik
Konzentration und Stille: musikalisch
von
→ Christiane Maaß
Oldenburg. Die Praxis der Reduktion der jeweils kompositorisch eingesetzten Materialien in
der Neuen Musik kann zu zwei gegenläufigen Bewegungen im musikalischen Resultat führen:
einerseits zu einer Verstärkung der Aussage in ihrer Konzentration, andererseits zum
Prozeß ihrer Auflösung bis an die Grenze zum Schweigen, zur Stille. Dieser
dialektische Prozeß der Reduktion konnte in äußerst spannender Weise
erneut im Zeiten zwischen rauh betitelten, jüngsten oh ton-Konzert in
der Cäcilienschule verfolgt werden. Allen an diesem Abend realisierten kompositorischen
Arbeiten eignete neben Vorgängen der Zurückführung, Komprimierung und Verringerung
ein derart fragiler Charakter, daß dem Publikum mitunter das äußerste an
Sensibilität und aufmerksamem Hören abverlangt wurde. (...)
Friedemann Schmidt-Mechaus 1991 in Reaktion auf den beginnenden Golfkrieg geschriebenes wo
gegen wart, 15. Januar nahm in seiner stark pausendurchsetzten Anlage viele der Ansätze
der beiden Spieler (Violine: Ulrich Bösking; Posaune: Jan-Peter Sonntag), sich zueinander in
ein Verhältnis zu setzen, in die Stille zurück. In immer wieder unterbrochenen und wieder
aufgenommenen Versuchen der Annäherung und Verständigung konnte schließlich aus dem
anfangs noch wie wüsten, drückend wirkenden Schweigen ein gemeinsames, beredtes gestaltet
werden. (...)
|